PEGIDA: Die Ursachen liegen tiefer

Zu Gast bei Evrim Sommer (MdA): Podiumsdiskussion „Das Dresdner Gespenst - Was ist PEGIDA?“
Eingangsstatement von Petra Pau

Berlin-Hohenschönhausen, 4. März 2015

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Unsere Eingangsstatements mögen 5-Minuten lang sein. So die Bitte.
Ich mühe mich um Kürze und steige mit zwei Fragen ein:
a) Ist PEGIA ein ostdeutsches oder gar ein Dresdener Phänomen?
b) War oder ist PEGIDA eine temporäre Erscheinung?
Auf den ersten Blick könnte man zu zwei Mal „Ja“ neigen

Vom PEGIDA-Beginn im Oktober 2014 bis zum Februar 2015 gingen unter diesem oder ähnlichen GIDAs bundesweit 170.000 Leute gegen die Islamisierung des Abendlandes auf die Straßen.
Davon allerdings 160.000 im Osten Deutschlands, allein in Dresden waren es summiert 125.000 Teilnehmer.
Im Westen wurden nirgendwo derart relevante Zahlen erreicht.

Die PEGIDA-Proteste in Dresden schwollen von anfangs rund 300 Teilnehmer kontinuierlich auf über 20.000 am 12. 1. 2015 an.
Nach dem Zerwürfnis in der PEGIDA-Spitze Anfang Februar 2015 sanken die Teilnehmerzahlen wieder unter 5.000.

Beides, die Konzentration auf den Osten und der Einbruch der Teilnehmerzahlen in Dresden scheinen die Annahme zu stützen, dass die PEGIDA-Bewegung ein regionales und temporäres Phänomen ist.

Der zweite Blick sagt allerdings etwas anderes:
PEGIDA, also „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“, richtet sich vordergründig gegen den Islam.
Wobei unter Islam weniger eine Religion oder eine Kultur verstanden wird, sondern überwiegend eine bedrohliche Ideologie.

Befragt nach der Akzeptanz, lehnen bundesweit über 60 % der Bevölkerung den Islam teilweise oder komplett ab,
•  im Osten mehr, als im Westen;
•  auf dem Land stärker, als in Großstädten;
•  unter Männern häufiger, als unter Frauen;
•  bei Älteren ausgeprägter, als bei Jüngeren.

Aber unter dem Strich bleibt: Eine Mehrheit aller Deutschen ist gegen den Islam - Tendenz steigend - hat also rassistische Vorurteile.
Mithin ist PEGIDA ein gesamtdeutsches Problem, das auch nicht verschwindet, wenn die Montags-Proteste abschwellen oder ausfallen.
Hinzu kommt, dass Vorurteile gegenüber Muslimen immer wieder aus der Mitte der Gesellschaft geschürt werden (nicht nur durch Sarrazin).

Ein zweiter Gedanke:

PEGIDA richtet sich nur vordergründig und mitnichten allein gegen den Islam. Auf der Protestliste stehen mehr, auch die Politik und die Medien.
PEGIDA bündelt einen „Frust generale“, getragen von realer oder gefühlter Ohnmacht und Abstiegsangst.
PEGIDA kommt als aggressive Selbstverteidigung daher.

Warum dieser allgemeine Frust gerade jetzt ausbricht, ist aus meiner Sicht zweitrangig. Dass dieser allgemeine Frust zuerst im Osten Deutschlands ausbricht, scheint mir erklärlich.Warum er gerade in Dresden ausbrach, darüber streiten sich die Geister mit unterschiedlichen Erklärungen.

Entscheidend scheint mir etwas anderes:
Prof. Heitmeyer (Uni Bielefeld) & Team haben von 2002 bis 2011 „Deutsche Zustände“ - so heißt die Langzeitstudie - untersucht.

Ihr Befund:
Die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit nimmt zu; ebenso die Akzeptanz von Gewalt als Problemlöser.
Das ist eine gefährliche, a-demokratische Tendenz.

Als Ursache benennen Heitmeyer & Co.:
Das Soziale wird ökonomisiert, die Demokratie wird entleert.
Das ist eine Generalkritik an 20 Jahren neoliberaler Politik.
Wobei unter dem „Sozialen“ nicht Sozialleistungen zu verstehen sind, sondern die Gesellschaft als Gemeinschaft oder eben nicht.
Meine Arbeitsthese, und nicht nur meine, ist:
Das ist die tiefer liegende Wurzel für PEGIDA und ähnliche Proteste.

Die Friedrich-Ebert-Stiftung kommt zu ähnlichen Ergebnissen.
Sie stellt in zwei Studien fest: Die so genannte Mitte der Gesellschaft bricht weg. Diffuse Ängst und eine gefühlte Ohnmacht nehmen zu.
Wenn diese Annahmen stimmen, dann protestieren PEGIDA-Anhänger gegen Ersatz-Schuldige. Denn der Islam ist weder für „Hartz IV“, noch für ein asoziales Steuerunrecht verantwortlich.

Dritter Gedanke:

Ich bin weit davon entfernt, alle PEGIDA-Anhänger in die rechte Ecke zu stellen. Ich übersehe aber auch nicht, dass viele „besonders besorgte Bürger“ genau aus der extrem-rechten Ecke kommen. Das erlebe ich auch in Marzahn-Hellersdorf, wenn langbekannte Nazis an der Spitze so genannter Bürgerbewegungen ihre Parolen skandieren.

Deshalb mein Eingangs-Fazit:
PEGIDA ist ein Protest gegen politische Fehlentwicklungen. PEGIDA sucht zugleich Ersatzschuldige. PEGIDA ist rassistisch fundiert. Und deshalb sind PEGIDA-Positionen für Linke nicht verhandelbar.
 

 

 

4.3.2015
www.petra-pau.de

 

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