Aktuelle Notiz: Des Kaisers neue Freiheit

von Petra Pau
Berlin, 7. Mai 2009

1. 

„Party-Schlümpfe und eine goldene Banane“ überschrieb der „Stern“ seine Abrechnung mit den über 500 Entwürfen, die bei der Jury eingereicht wurden und unisono durchgefallen sind. Zu Recht! Es ging um ein „Denkmal für Einheit und Freiheit“, das in Berlin errichtet werden soll. Das hat der Bundestag beschlossen. „Aus. Schluss. Setzen.“, resümiert nun das Magazin.
 
Andere kritisieren die Vorgaben des Wettbewerbs. Alles, was in der deutschen Geschichte irgendwie gut gelaufen sei, sollte gewürdigt werden. Kein Wunder, das ein Künstler mit seinem Vorschlag riesige Zeitsprünge wagte: „0009 - 1848 - 1918 - 1989“. Von der „Schlacht im Teutoburger Wald“ bis zur „Wende“ in der DDR, alles wurde zum fröhlichen Einheits- und Freiheits-Brei verrührt.
 
Vorgeschrieben wurde auch der Ort fürs Monumentale: Berlin, Mitte, Spree-Insel, Schloss-Freiheit. Letzteres klingt gut, hat aber nichts mit Freiheit im libertären Sinne zu tun. Dort standen früher Marktstände für den täglichen Bedarf im Berliner Königs-Schloss. Damit die Brot-, Gemüse- und Linnen-Händler auch zuhauf kommen, wurden sie von Steuern befreit. Daher der Name „Schloss-Freiheit“.
 
Das Schloss wurde zerbombt, die Ruinen gesprengt. Überlebt hat ein Sockel aus feudalen Zeiten. Auf ihm stand früher ein gegossener Gaul. Auf dem thronte dereinst ebenso gusseisern „Wilhelm I.“ Der Kaiser verschwand samt Pferd. Das Fundament aber blieb. Nun soll es alsbald vom Stolz der Deutschen über ihre Einheit und Freiheit künden. So hat es die Mehrheit im Bundestag anno 2007 beschlossen.
 
Der neue Stolz - wie immer auch künstlerisch gestaltet - könnte zudem das Berliner Schloss wieder wachsen sehen. Auch das ist beschlossene Sache: Seine Konturen und Fassaden werden den „Palast der Republik“ aus DDR-Zeiten ersetzen. Der erlag inzwischen einem „demokratischen Rückbau“. Kurzum: Es ging also voran. Und nun das: Über 500 Denkmal-Entwürfe für „Einheit und Freiheit“ und keiner findet Gnade.

2. 

Perspektiv-Wechsel: Der Dreh- und Angelpunkt für die Idee eines Denkmals für Einheit und Freiheit sind die bewegenden Ereignisse in der DDR und in Ost-Europa 1989/90. „Wir haben nicht so viel in unserer Geschichte, worauf wir stolz sein können“, meint der Historiker Dr. Peter Brandt. Das spräche dafür, prominent daran zu erinnern und so zum Nachdenken anzuregen. Er meint es wirklich gut,
 
Zugleich hegt er eine Befürchtung. „Ich hoffe“, sagte Dr. Peter Brandt jüngst auf einem Kolloquium, „es wird nicht nur ein ost-deutsches Denkmal“. Ich vermute viel Schlimmeres: Es wird kein ostdeutsches, es wird kein westdeutsches und es wird auch kein gesamtdeutsches Denkmal. Sondern lediglich eine Skulptur für jene, die es beschlossen haben. Und für knipsfreudige Touristen, die mit Bussen angekarrt werden.
 
Das von mir erwartete Schicksal des umstrittenen Denkmals ist erprobt. Ich erlebe es jedes Jahr, am 3. Oktober, dem „Tag der Einheit“. Er führt jene zusammen, die auch das Denkmal beschlossen haben. Es gibt wichtige Reden, festliche Musik und danach eine Bier-Meile fürs Volk. Die wird gern genommen, aber dazu braucht man keinen „Tag der Einheit“. Das geplante Denkmal bietet nicht einmal Bier - noch nicht.
 
Ja, das klingt bissig, vielleicht auch arrogant. Aber nicht gegenüber jenen, die 1989/90 in der DDR mutig ihr Herz in die Hand nahmen. Die für ihre Freiheit demonstrierten. Die dem Staat trotzen, unkalkulierbare Risiken eingingen und so ungeahnt Weltgeschichte schrieben. Ihr Engagement verdient stetes Nachdenken. Und genau deshalb habe ich gegen das „Denkmal für Einheit und Freiheit“ gestimmt.
 
Ich hätte vielleicht zustimmen können, wenn der Antrag im Bundestag in etwa wie folgt formuliert worden wäre.
 
Der Bundestag möge in Würdigung der Bürgerrechts-Bewegungen vor 20 Jahren in der DDR und in Ost-Europa beschließen:
1. Die im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland angelegte direkte Demokratie wird freigesetzt, so dass Volksabstimmungen sofort auch auf Bundesebene möglich sind.
2. Die beschlossene Vorratsspeicherung der Telekommunikationsdaten aller Bürgerinnen und Bürger wird sofort abgeschafft. Zuwiderhandlungen werden strafrechtlich geahndet.
3. Das Niveau der Renten-Ansprüche der Bürgerinnen und Bürger in den so genannten neuen Bundesländern wird sofort an das Niveau der Renten-Ansprüche in den "alten" Bundesländern angepasst.
Die Tarifpartner in der freien Wirtschaft und im öffentlichen Dienst werden dringend gebeten, gleichsam die Ost-Tarife auf das Niveau der West-Tarife zu heben.
4. Zudem unterstützt der Bundestag die Gestaltung eines „Denkmals für Einheit und Freiheit“. Die Planungen und die Ausführung obliegen einer Stiftung.

 
So oder ähnlich hätte ich Ja zu einem Antrag im Bundestag für ein „Einheits- und Freiheits-Denkmal“ sagen können. Aber Punkt 1 bis 3 findet nicht statt. Bürger- und Freiheitsrechte werden weiter abgebaut. Und die Ost-West-Gerechtigkeit ist im Jahr 20 der Deutschen Einheit noch immer kein Regierungs-Programm. Das „Denk mal“ verkommt so zu einer Ersatzhandlung. Die Realität widerspricht dem Symbol.
 
Noch ein Nachdenker: „Wir sind es den Bürgerrechtler der DDR schuldig, sie und ihren historischen Mut öffentlich zu würdigen.“ Das ist eine zentrale Begründung für das Einheits- und Freiheits-Denkmal. Im ersten Anlauf im Bundestag hatten Bürgerrechtler aus DDR-Zeiten dieses Ansinnen noch zurückgewiesen. Im zweiten Anlauf schienen einige umgestimmt. Doch auch dieser Schein trügt.
 
2001 wandten sich zwei Dutzend namhafte Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtler aus DDR-Zeiten an die Öffentlichkeit. Ihr Appell hieß: „Wir haben es satt!“ Darin klagten sie, dass fast alles, wogegen sie 1989 in der DDR Kopf und Kragen riskiert haben, im neuen Deutschland Urständ feiere. Die Regierung agiere gegen das Volk. Das Volk werde zunehmend überwacht. Die Demokratie sei mehr Schein statt Sein.
 
Das war starker Tobak. Von mutigen Bürgerrechtlern in der DDR - fast alle wurden nach der Wende bundesdeutsch hoch mit Verdienst-Kreuzen dekoriert - und trotzdem immer noch Bürgerrechtler, nunmehr im neuen Deutschland. So ein Trotz-Appell kommt natürlich weder in der BILD, noch bei „Anne Will“ oder bei anderen moralischen Meinungsmünzern vor. Man findet den Wortlaut des Appells allerdings im Internet.
 
Nun versuche ich mich in die Gedanken dieser Immernoch-Bürgerrechtler zu versetzen. Dieselben Parteien und Bundes-Regierungen, die sie 2001 politisch scharf kritisiert haben, widmen ihnen plötzlich gönnerhaft ein Freiheits-Denkmal. Auf einem verwaisten Kaiser-Sockel. Vor einer Hohenzollern-Attrappe. Muss das nicht wie Hohn klingen? Ich finde: Der „Stern“-Kommentar hat Recht: „Aus. Schluss. Setzen.“
 

 

 

7.5.2009
www.petra-pau.de

 

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