Aktuelle Notiz: Wahlen - rechtsextrem

von Petra Pau
Berlin, 19. September 2004

1. 

In Brandenburg und in Sachsen wurde ein neuer Landtag gewählt. In beiden Parlamenten werden Abgeordnete rechtsextremistischer Parteien Sitz und Stimme haben: In Brandenburg erreichte die DVU mehr als 6 Prozent. In Sachsen kam die NPD sogar auf 9,2 Prozent.

2. 

Ex-Bundespräsident Richard von Weizsäcker hatte vorab gemahnt: Solche Ergebnisse seien schlecht, aber nicht über zu bewerten. In der Geschichte der Bundesrepublik hätten es rechtsextreme Parteien immer wieder mal in Parlamente geschafft. Und sie wären, so von Weizsäcker, nach einer kurzen und unrühmlichen Gastrolle wieder verschwunden.

3. 

Ich halte diese partielle Entwarnung für falsch und gefährlich. Es geht um ein tiefer gehendes Problem. Dafür sprechen Fakten. Wahlforscher hatten seit längerem ein NPD-Potential in Sachsen von 12 Prozent und für die DVU in Brandenburg von 9 Prozent ermittelt. Außerdem wurde die DVU zum 2. Mal hintereinander in den Brandenburger Landtag gewählt.

4. 

Erstmals in der jüngeren Geschichte gab es Wahlabsprachen von zwei bislang konkurrierenden rechtsextremen Parteien. Die NPD verzichtete auf eine Kandidatur in Brandenburg, die DVU bewarb sich im Gegenzug nicht in Sachsen. Hinzu kommt: Beide Parteien sind keine unbekannten Phänomene mehr. Sie wurden gewollt und nicht nur aus Protest gewählt.

5. 

Gravierend ist der Zuspruch bei jungen Wählern. In Sachsen erreichte die NPD in dieser Wählerschicht - nach der CDU - das zweitbeste Ergebnis. Es gab Zeiten, in denen junge Menschen eher links votierten. Derzeit stehen nationalistische und rassistische Parolen höher im Kurs. Sie prägen Regionen und ein „rechtsextremes lifestyle“.

6. 

Bereits zu den Kommunalwahlen im Juni 2004 hatte die sächsische NPD zahlreiche Parlaments- und staatliche Mandate erobert. Das stärkt ihre Infrastruktur. Hinzu kommt: Viele Kandidaten der NPD kommen aus der „normal-bürgerlichen Mitte“. Sie sind vor-Ort als Bäcker, Arzt oder Fahrschul-Lehrer anerkannt und dadurch auch meinungsbildend.

7. 

Monat für Monat befrage ich die Bundesregierung nach rechtsextremen Straf- und Gewalttaten. Im Vergleich mit anderen Bundesländern und mit der Einwohnerzahl ist Sachsen Spitzenreiter. Auch Brandenburg rangiert im Vorderfeld. Die gewählte ‚Normalisierung' des Rechtsextremismus und seine alltägliche ‚Militarisierung' sind zwei Seiten einer Strategie.

8. 

Das alles ist bekannt. Umso schlimmer sind Versuche der CDU/CSU, auch der SPD, selbst der Grünen, NPD und PDS in einen Topf zu werfen. Sie wollten die PDS taktisch diffamieren. Heraus kam das Gegenteil: Sie machten die NPD und die DVU strategisch ‚hoffähig'.

PS:
Das dümmste und kurzsichtigste Argument für die Wahlerfolge der NPD hatte Bundes-Innenminister Schily (SPD) parat: Das Bundes-Verfassungsgericht sei schuld, meinte er, weil es die NPD nicht - wie beantragt - verboten habe.

Ich habe das NPD-Verbotsverfahren für die PDS-Fraktion im Bundestag damals gemeinsam mit Ulla Jelpke intensiv begleitet und befördert. Die Hauptschuld daran, dass das „Verfahren verfahren“ wurde, trug Bundes-Innenminister Otto Schily.
 

 

 

20.9.2004
www.petra-pau.de

 

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