EU- und Landesrecht

Sehr geehrte Frau Pau,

soeben erreichte mich folgende Pressemitteilung: „EU-Rat zwingt Ungarn zur Zulassung von Genmais - Verbote werden bald fallen“ (abrufbar unter: http://www.ots.at/presseaussendung.php?schluessel=OTS_20090122_OTS0137&ch=politik). Diese Meldung verwirrt mich doch sehr. Vielleicht können Sie mir meine, brennenden, Fragen beantworten?

Wie kann es sein, dass der EU-Rat sich unverhohlen über Gesetze eines EU-Mitgliedes hinwegsetzt, mit der Begründung, dass keine Gründe zur Aufrechterhaltung eines vorliegenden Landesverbot vorlägen. Ist ein solches Vorgehen in Deutschland ebenfalls zu erwarten?

Liebe Grüße
Susanne Frederiksen
Niedersachsen
26. Januar 2009

Sehr geehrte Susanne Frederiksen,

grundsätzlich ist EU-Recht für alle Mitgliedländer der Europäischen Union bindend, im Guten, wie im Schlechten, also auch für Ungarn oder Deutschland.

Was jeweils als gut oder als schlecht angesehen wird, hängt natürlich von der politischen Perspektive des Betrachters ab.

So, wie Sie offenbar gen-manipulierte landwirtschaftliche Produkte ablehnen, ich übrigens auch, gibt es auch gegenläufige Interessen, auch hierzulande.

Das Problem ist daher nicht, dass die EU geltendes Recht setzt, sondern welches. Das wiederum ist eine Frage politischer Mehrheiten. Ich will Ihnen das gern anhand zweier deutscher Beispiele illustrieren.

Beispiel 1: Im so genannten Anti-Terrorkampf wollte der damalige Bundes-Innenminister Schily durchsetzen, dass alle Telekommunikations-Daten auf Vorrat gespeichert werden. Er scheiterte damit im Bundestag. Dann flog er gen Brüssel und stampfte gemeinsam mit anderen Innenministern so lange mit den Füßen, bis die EU die Vorratsdatenspeicherung - auch für Deutschland - beschloss. Es war also nicht irgendeine anonyme EU, die darauf drängte. Es war unter anderem ein konkreter SPD-Minister. Das war das schlechte Beispiel.

Beispiel 2: Die EU befand, dass die extensiven Arbeitszeiten, wie sie zum Beispiel bei der Feuerwehr oder in Krankenhäusern vielfach üblich sind, nicht rechtens seien. Damit stärkte sie Arbeitnehmerinnen und Arbeitsnehmer auch in Deutschland den Rücken, ebenso den zuständigen Gewerkschaften. Das war ein gutes Beispiel. Wobei mir nicht bekannt ist, dass deutsche Gesundheits- oder Sozialminister in diesem Sinne in Brüssel mit den Füßen gestampft hätten.

Diese beiden Beispiele habe ich notiert, weil es wohlfeil ist, einer verbesserungswürdigen Europäischen Union alle schwarzen Peter zuzuschieben. Diese Ablenkungsmanöver von nationalen Missetaten werden gern gespielt. Dagegen hilft aus meiner Sicht Dreierlei: 1. Die Europäische Union muss viel transparenter werden. 2. Das EU-Parlament muss gegenüber der EU-Kommission demokratisch aufgewertet werden. Und 3. liegt es dann an den Bürgerinnen und Bürgern, die ihrer Meinung nach politisch richtigen Abgeordneten auch zu wählen, im eigenen Land und für Brüssel.

Mit freundlichen Grüßen

Petra Pau
29. Januar 2009

 

 

29.1.2009
www.petra-pau.de

 

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