Linker Trotz und blühende Landschaften

Frage: Zitat von Ihrer Homepage: „Der Staatsakt zum ‚Tag der deutschen Einheit' fand turnusgemäß in Kiel statt. Petra Pau: ‚Die geladenen Bürgerinnen und Bürger sehen weit nüchterner auf 16 Jahre deutsche Einheit, als die Politiker in ihren offiziellen Reden. Ex-Kanzler Kohl will sogar schon die ‚blühenden Landschaften' gesehen haben, die er damals den neuen Bundesländern versprach.“

Wie sah es denn hier vorn 16 Jahren aus? Sie sollten mal daran erinnern, wie es war! Dann ist der Vergleich mit den blühenden Landschaften sogar noch untertrieben. Aus einer ausgebeuteten Umwelt, grauen Städten und nichts als Elend, ist ein mehr als blühendes Land geworden. Ich habe das Land zum ersten Mal im Frühjahr 1990 bereist und habe auch nicht an die blühenden Landschaften geglaubt, nachdem ich das unermessliche Elend gesehen habe.
Nun zur Frage, ist notwendig als Linke die Entwicklungen so falsch darzustellen oder kann man als Linke mit einer DDR Vergangenheit nicht anders? Oder ist das noch die DDR Agitation? Jedenfalls sind die blühenden Landschaften weit gediehen, dafür dass die SED Nachfolgepartei alles getan hat, dies zu verhindern.

Michael Dickopf, Berlin
7. Oktober 2006

Sehr geehrter Herr Dickopf,

um ihre Hauptfrage vorweg zu beantworten: Es ist nicht Aufgabe der Linken, Gutes schlecht zu reden. Die Linke setzt sich traditionell für die sozial Schwachen ein. Das war zu Bebels Zeiten so, das war zu Zeiten von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg so. Das war auch zu Willi Brandts Zeiten so.

Damit bin ich bei meiner Gegenfrage. Gibt es 2006 mehr Bürgerinnen und Bürger, die sich sozial benachteiligt, ausgegrenzt und schwach fühlen als vordem, oder überwiegen die „blühenden Landschaften“? Meine Erfahrung sagt: Es gibt immer mehr, die arbeitslos sind und sich abgeschrieben fühlen.

Sie haben natürlich Recht: Die DDR hinterließ eine gebeutelte Umwelt und all zu viele Stadtteile waren trist und grau. Dem „unermesslichen Elend“, dass sie anführen, widerspreche ich kräftig. Aber es hatte nachvollziehbare Gründe, warum die DDR implodierte und das habe ich nie in Frage gestellt.

Sie schreiben, Sie haben „das Land“ erstmals 1990 bereist. Ich empfehle Ihnen: Bereisen Sie es erneut und schauen Sie nicht nur auf die wirklich vorzeigbaren „blühenden Zentren“. Fahren Sie in die Uckermark oder ins Mansfelder Land. Sie werden ganze Regionen erleben, die verarmen, verfallen, vergreisen.

Glauben Sie bitte nicht, das wäre die natürliche Erblast nach 40 Jahren DDR. Die Bürgerinnen und Bürger dort würden Sie dafür bestenfalls müde belächeln. Nicht aus Ostalgie, sondern aus erlebten Erfahrungen nach 16 Jahren Deutscher Einheit. Sie wollen die DDR nicht zurück. Sie wollen Zukunft, auch für sich.

Und für ihre Kinder. Die sind derweil in nahezu alle alten Bundesländer verstreut, auf der Suche nach Arbeit, Anerkennung und ein auskömmliches Einkommen. Das wird immer schwieriger. Denn die Not grassiert nicht nur im Osten. Schauen Sie nach Franken, nach Bremerhaven, nach Pirmasens.

Ich tue es, als Linke, als Mitglied des Bundestags, als Vizepräsidentin. Und als solche sage ich Ihnen auch: Weder ich, noch meine Partei haben seit 1990 "alles getan", um blühende Landschaften zu verhindern. Was wäre das auch für eine Linke, die sich Tristesse wünscht, statt Wohlfahrt. Meine wäre es nicht.

Deshalb trifft mich auch ihr fragender Vorwurf nicht, ob ich der verlängerte Arm der SED-Agitation sei. Mitnichten. Ich erlebe die falsche Erfolgspropaganda aus unseligen DDR-Zeiten allerdings tat-täglich neu: im Bundestag, in der Tagesschau, bei „Christiansen“, auch in Ihrer E-Mail.

Beim Kieler Staatsakt gab es weniger Lobhudelei, als befürchtet, aber mehr, als angebracht ist. Jene, mit denen ich sprach, waren auserwählt. Sie hatten sich trotzdem einen sehr kritischen Blick bewahrt. Sie teilten überwiegend meine Meinung. Und genau das habe ich in meiner „Aktuellen Notiz“ beschrieben.

Ich freue mich, wenn Sie weiterhin auf meiner Homepage vorbei schauen.

Mit ehrlichen Grüßen

Petra Pau
12. Oktober 2006

 

 

12.10.2006
www.petra-pau.de

 

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