Gedenken und Bedenken

Bundestag, 17. Juni 2020, Vereinbarte Debatte zum Gedenktag 17. Juni 1953
Rede von Petra Pau

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Der 17. Juni 1953 war in der DDR ein schwarzer Tag. Seit Längerem anschwellende Proteste wurden insbesondere durch die Sowjetarmee blutig niedergeschlagen.

Es gab zahlreiche Tote, ungezählte Verletzte sowie Tausende Verhaftungen. Daran ist zu erinnern.

Proteste gab es vielerorts, nicht nur in Ostberlin. Die Gründe waren so vielfältig wie die Forderungen. Es ging um soziale Rechte, etwa Lohnerhöhungen oder die Rücknahme staatlich verordneter Arbeitsnormen, und es ging um Demokratie und Bürgerrechte, zum Beispiel um Pressefreiheit und die Forderung nach freien Wahlen.

Die Reaktionen der SED-Spitze waren zwiespältig. Vielen sozialen Forderungen wurde infolge des 17. Juni entsprochen. Das führte zu Verbesserungen der Arbeits- und Lebensbedingungen für Millionen Bürgerinnen und Bürger.

Die politischen Forderungen wiederum wurden missachtet, der Führungsanspruch der SED verfestigt und mithin der Sozialismus sowjetischer Prägung verhärtet.

Mitglieder der SED, die diesen Kurs für falsch hielten, wurden aus der Partei geworfen, etliche gar inhaftiert. Andere, wie überhaupt viele Bürgerinnen und Bürger der damaligen DDR, verließen das Land gen Westen.

So gab es rund um den 17. Juni 1953 eine Entwicklung, die in vielem an 19891990 erinnerte und die schließlich zur Implosion des Sozialismus sowjetischer Prägung führte, und das nicht nur in der DDR, und - ich unterstreiche hier - das auch völlig zu Recht.

Als Linke sage ich rückblickend: Ein Sozialismus, in dem soziale Rechte und Freiheits- und Bürgerrechte nicht als gleichwertig gelten, ist kein Sozialismus.

Man darf soziale Rechte sowie Freiheits- und Bürgerrechte nicht gegeneinanderstellen und auch nicht miteinander verrechnen. Wer dies dennoch tut, ist nicht links.

Das ist das Credo der Partei und auch der Fraktion Die Linke. Damit unterstreiche ich auch: Unser Bruch mit dem Stalinismus als System von 1989 gilt unwiderruflich. Wer das infrage stellt, ist kein Linker.

Nun wurden soziale Rechte, Freiheits- und Bürgerrechte nicht nur im Sozialismus sowjetischer Prägung beschränkt oder ausgesetzt. Wir erleben das auch heute, weltweit. Überall, wo dies geschieht, ist Widerspruch gefragt.

Deshalb möchte ich abschließend auf einen Umstand eingehen, der die soziale und politische Krise in der DDR damals beschleunigte.

Die USA und die UdSSR befanden sich längst im Kalten Krieg. In beiden Ländern wurde massiv hochgerüstet. Damit wuchs der finanzielle Druck der Sowjetunion auf die DDR, den die SED-Führung an die Bevölkerung durchreichte.

Mit Blick auf Aktuelles gebe ich zu bedenken: Wir erleben durchaus auch heute auf dieser Welt eine Militarisierung der Politik, verbunden mit einer gewaltigen Aufrüstung. Die Linke - das unterstreiche ich hier - ist dagegen: aus historischen, aus sozialen und aus Friedensgründen.
 
 

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17.6.2020
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