Aktuelle Notiz: Bundestag selbst ramponiert

von Petra Pau
Berlin, 9. November 2005

Nachdem Lothar Bisky auch im vierten Wahlgang im Bundestag keine Mehrheit erhielt und die Linksfraktion weiterhin im Präsidium nicht vertreten ist, rastete Gregor Gysi aus. Lothar Bisky habe offensichtlich drei Makel. Er habe Hitlers „Mein Kampf“ nicht gut gefunden, er war nicht Mitglied der NSDAP und er habe auch nicht im Goebbels Ministerium gearbeitet. Anderenfalls wäre er heute sicher von der CDU und der FDP gewählt worden, wie damals Kurt Georg Kiesinger. Der wurde mit einer solchen Biografie 1966 Bundeskanzler.

Die Nerven lagen blank. Lothar Bisky war die erlittene Demütigung ins Gesicht geschrieben. Und Oskar Lafontaine, vor allem aber Gregor Gysi holten vor versammelter Presse zur Generalabrechnung mit der Borniertheit bundesdeutscher Altgeschichte und mit der Überheblichkeit bundesdeutscher Neugeschichte aus. Sie zogen die Ost-West-Karte und sie zogen indirekt auch den Vergleich zwischen NS-Reich und DDR. Die Vorlage dafür wurde ihnen taufrisch geliefert. Ich finde: Sie hätten sie dennoch nicht annehmen sollen.

Nicht nur, weil Zorn ein schlechter Ratgeber ist. Die Gegenüberstellung von Bisky und Kiesinger birgt den Vergleich und damit auch den zwischen Hitler-Faschismus und DDR. Genau damit begibt man sich aber auf das Niveau jener, die man kritisiert. Das ist ob der gerade erfahrenden Beleidigung durchaus nachvollziehbar, aber gerade deshalb war das nicht unbedingt klug. Finde ich. Gregor Gysi war desillusioniert, sagte er. Er dachte, die so genannten politischen Eliten seien im Jahr 15 der deutschen Einheit weiter. Sie sind es nicht, so sein Fazit heute vor den Medien, jedenfalls nicht im Bund.

Dafür gibt es seit langem viele Belege. Ich habe mehrfach gesagt: „Bundeskanzler Kohl hat den Osten belogen, aber Bundeskanzler Schröder hat ihn abgeschrieben.“ Ein Beleg von vielen dafür ist, dass Rot-Grün eine soziale Grenze in die deutsche „Hartz“-Republik trieb, indem sie Langzeitarbeitslose-Ost finanziell noch schlechter stellte, als Langzeitarbeitslose-West. Die das tun, vereinigen nicht, sie trennen. Und sie flankieren ihren Wahnsinn mit Attacken. Die persönliche und symbolische Erniedrigung von Lothar Bisky im Bundestag gehören dazu. Umso mehr stellt sich die Frage nach einer linken Antwort.

Noch immer steht an einer Kreuzberger Giebelwand in großen Lettern: „Die Grenze verläuft nicht zwischen Ost und West, sondern zwischen Oben und Unten.“ Wenn das stimmt - und ich meine Ja - dann darf man als Linke nicht selber den Ost-West-Konflikt bedienen. Egal, mit wem ich heute, nach dem Eklat im Bundestag, sprach: Sie hatten alle andere Sorgen als die, welcher Kandidat der Linksfraktion Parlaments-Vize wird. Sie erwarten politische Lösungen für ihre Probleme. Der Bundestag hat sich heute wieder mal selbst ramponiert. Kein gutes Image für das „hohe Haus“
 .

 

 

9.11.2005
www.petra-pau.de

 

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