Aktuelle Notiz: NSA und andere Verfassungsfeinde

von Petra Pau
Berlin, 24. Oktober 2013

1. 

„Der Spiegel“ will recherchiert haben, dass durch den USA-Geheimdienst NSA auch Telefonate von Bundesskanzlerin Merkel ausgespäht worden seien. Seit her regt sich plötzliche Empörung. Sogar Angela Merkel verlor offenbar ihre schier unendliche Geduld. „Ausspähen unter Freunden - das geht gar nicht“, soll sie US-Präsidenten Barack Obama gesagt haben. Böser noch: Das Vertrauensverhältnis sei gestört.

2. 

Doch damit kurven sie und weitere Regierungsmitglieder weiter mit Sicherheitsabstand um des Pudels Kern herum. Freundschaften und Vertrauen mögen ja was Schönes sein. Aber bei den NSA-Spähgelüsten geht es um einen Generalangriff auf die Verfasstheit der Bundesrepublik Deutschland und auf deren im Grundgesetz verankerte Säulen. Verbriefte Bürgerrechte werden missachtet, die Demokratie wird ausgehöhlt.

3. 

Das aber wurde schon vor Monaten offenbar. Dabei ist es egal, ob es um das Handy von Frau Merkel oder um die E-Mail von Frau Müller geht. Alle Bürgerinnen und Bürger haben laut Artikel 10 Grundgesetz ein verbrieftes Recht auf Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis. Artikel 20 definiert die Bundesrepublik Deutschland zudem als „demokratischer Bundesstaat“. Demokratie aber ist nicht bedingungslos zu haben.

4. 

In seinem berühmten Volkszählungsurteil von 1983 hatte das Bundesverfassungsgericht sinngemäß geurteilt: Bürger, die nicht mehr wissen können, wer was über sie weiß, sind nicht mehr souverän. Wer nicht mehr souverän ist, kann als Bürger kein Souverän sein. Eine Demokratie ohne Souveräne aber ist undenkbar. Aktuell übersetzt: Der NSA ist eine demokratie- und verfassungsfeindliche Organisation!

5. 

Mit demselben Urteil hatten die Karlsruher Richter übrigens ein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung definiert. Davon wiederum leitet sich der hohe Rang des Datenschutzes ab. In der Theorie. Praktisch wird es immer wieder ignoriert, auch hierzulande. Der letzte Bundesinnenminister, der „Datenschutz“ positiv aussprach, war Thomas de Maizière. Bei seinem Amtsantritt, danach schwieg auch er weiter.

6. 

Das geltende Datenschutzrecht stammt wesentlich aus einer Zeit, da noch mit dem Röhrenradio gehört und dem Füllfederhalter geschrieben wurde. Das Gros der Welt lebt längst im Internet-Zeitalter, Geheimdienste allemal, nur die Politik noch nicht. Wissenschaftler und Bürgerrechtler fordern aktuell eine Enquetekommission zur „Revitalisierung der Demokratie“. Sie haben Recht. Nicht nur ob der NSA. Es drängt!
 

 

 

24.10.2013
www.petra-pau.de

 

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