Linke Kommunalpolitik folgt einem roten Faden

Beitrag von Petra Pau auf der Podiumsdiskussion über linke Kommunalpolitik
Zweibrücken, 17. April 2009

1. 

Bevor ich hierher kam las ich Dies und Das über Kommunalpolitik und linke Kommunalpolitik. Manches kam mir sehr bekannt vor. Ich zitiere aus einem ziemlich neuen Papier aus Niedersachsen. Darin heißt es:
 
„Die bisherige Kommunalpolitik ist nur das letzte Glied einer verhängnisvollen Kette angeblicher Sachzwänge der kapitalistischen Marktwirtschaft. (…) DIE LINKE unterwirft sich dem nicht.“
 
Diese Botschaft erinnerte mich an einen Streit im Berliner Landesverband. Er wurde Anfang der 1990er Jahre ausgetragen, auf einem Landesparteitag, mit Redeschlachten und Kampfabstimmungen.
 
Die Kernfrage damals war dieselbe: Dürfen sich Linke in eine gestaltende Verantwortung begeben, wenn die Rahmenbedingungen alles andere als links sind. Oder muss sie sich konsequent verweigern und opponieren.
 
Die Frage stand damals so akut, weil es die reale Chance gab, dass wir nach Kommunalwahlen in Berlin Bezirks-Bürgermeister stellen könnten. Und wir stellen sie bis heute, inmitten einer Metropole des Kapitalismus.

2. 

Nun weiß ich auch, dass es Mitstreiter gibt, die lieber der reinen Lehre huldigen und das mit möglichst weißer Weste. Es ist ihr gutes Recht. Aber das ist keine Politik. Das ist jedenfalls meine Meinung dazu.
 
Wer etwas ändern kann, der muss es auch wollen, egal ob im globalen Großen oder im überschaubaren Kleinen. Wobei: Wer es im Kleinen nicht will, macht sich im Großen unglaubwürdig.
 
Deshalb sage ich aus fast 20-jähriger Erfahrung: Kommunalpolitik ist die unverzichtbare Basis linker Politik. Und deshalb sind die anstehenden Kommunalwahlen für DIE LINKE auch so wichtig.

3. 

Nun greife ich ein zweites Mal in den Erinnerungsschrein und hole ein weiteres Zitat hervor. „Es gibt in der praktischen Kommunalpolitik kein links oder rechts. Es gibt nur gute oder schlechte Kommunalpolitik.“
 
Auch dieser Satz hat keine drei Jahre auf dem Buckel. Er stammt von einem Oberbürgermeister aus Sachsen. Er war vordem links und ebenso mit einem linken Ticket gewählt worden.
 
Diese Auffassung ist übrigens gar nicht so selten. Zumal etliches für sie spricht. Zum Beispiel, dass der Kommunalpolitik immer mehr Entscheidungen entzogen und nach oben verlagert werden.
 
Und, dass im Gegenzug immer mehr Kommunen verarmen. Wo nichts zu entscheiden ist und wo nicht zu bezahlen ist, dort scheint es in der Tat egal, wer nicht entscheidet und wer nicht bezahlt.
 
Ich teile diese Auffassung dennoch nicht. Sie unterwirft sich tatsächlich vermeintlichen Sachzwängen. Sie ist defensiv und passiv. Linke packen zu. Das ist jedenfalls mein Verständnis von Linkssein.

4. 

Machen Sie mit mir einen gedanklichen Sprung nach Berlin ein. Berlin ist immer gut, denn bei manchen Linken gilt die Berliner Linke als Ausgeburt des Verrats. 2006 waren dort Landtagswahlen.
 
Prägend für DIE LINKE waren drei Botschaften, drei Forderungen. Sie waren für uns bei der anschließenden Regierungsbildung mit der SPD übrigens auch nicht verhandelbar.

1. Öffentliche Betriebe der Daseinsvorsorge sanieren, aber keinesfalls privatisieren:
2. Einstieg in das Projekt "Gemeinschaftsschule", um Zug um Zug vom 3-gliedrigen Schulsystem wegzukommen.
3. Schaffung eines öffentlich geförderten Beschäftigungssektors als humane Alternative zu Hartz IV.
Und genau das passiert.
 
Was aber wäre passiert, hätte DIE LINKE gekniffen? Die FDP wollte Massenentlassungen im öffentlichen Dienst. Die CDU wollte weitere Landesbetriebe verhökern. Und die SPD wollte eigentlich keinen ÖBS.
 
Was übrigens auch zeigt: Bei der SPD kommt es immer darauf an, wen sie an ihrer Seite hat: Sind es die Grünen oder die CDU, dann ist Gefahr im Verzuge. Ist es DIE LINKE, dann kann es besser werden.
 
Ich habe diese drei zentralen Berliner Forderungen genannt, weil sie gut und gerne auch kommunalpolitische Forderungen der LINKEN in Pirmasens sein könnten. Und zum Teil sind sie es ja auch.
 
Vor allem aber zeigt dieses Beispiel: Kommunalpolitik ist mehr als stupides Verwalten. Kommunalpolitik ist eine politische Herausforderung. Und mit diesem Selbstverständnis lässt sich wahlkämpfen.

5. 

Trotzdem will ich zum Thema Sachzwänge noch etwas einwenden. Natürlich gibt es sie, gerade auch in der Kommunalpolitik. Bestehende Gesetze sind Sachzwänge und die Haushaltslage birgt auch Zwänge.
 
Ich finde ja die schöne linke Losung auch prima: „Geld ist genug da, man muss es nur anders verteilen!“ Aber so lange es nicht anders verteilt wird, nützt das dem besten Kommunalpolitiker nichts.
 
Deshalb bleibt einer meiner Leitsprüche: Losungen sind schön, Lösungen sind besser. Genau so bin übrigens auch ich 1990 in die Kommunalpolitik gekommen. Und man sieht ja, wo das hinführen kann.
 
Womit ich keinesfalls einem beliebigen Pragmatismus das Wort rede. Linke Politik muss erkennbar sein, auch linke Kommunalpolitik. Sie brauch einen roten Faden, besser fünf:

6. 

Erstens: Linke Kommunalpolitik muss Transparenz sein. Die Bürgerinnen und Bürger müssen jederzeit nachvollziehen können, welche Fragen mit welchen Alternativen zu entscheiden sind. Und zwar nicht nur als Zuschauer, sondern mindestens als Berater. „Betroffene zu Beteiligten machen“ ist hierfür das Kürzel.
 
Zweitens: Linke Kommunalpolitik muss mehr Demokratie wagen. Die Formen sind vielfältig, vom Wahlrecht mit 16 über Volksabstimmungen in Sachfragen bis hin zum Bürgerhaushalt. Alles Angebote, die sich auch im Kommunal-Katalog der LINKEN für Pirmasens wieder finden.
 
Drittens: Linke Kommunalpolitik muss sozial und gerecht sein. Keine Partei kann es allen recht machen. Es gibt immer widerstreitende Interessen. Deshalb ist es gut verstandene Klientel-Politik, wenn sich DIE LINKE im Zweifelsfall immer für die sozial Schwachen entscheidet. Das angestrebte Sozialticket für Pirmasens ist nur ein Beispiel hierfür.
 
Viertens: Linke Kommunalpolitik muss nachhaltig sein. „Global denken - lokal handeln“ ist Daseinsvorsorge im weitesten Sinne des Wortes. Viele Kommunen haben bisher gute Erfahrungen mit der „Agenda 2010“ gemacht. DIE LINKE in Pirmasens will obendrein den C02-Ausstoß halbieren. Da würde mich nun wieder interessieren, wie das konkret geht.
 
Fünftens: Linke Kommunalpolitik muss politische Spielräume bewahren. Das wiederum ist zugleich eine Kampfansage gegen alle Privatisierungsorgien, allemal, wenn es um die öffentliche Daseinsvorsorge geht, also um Wasser, Gesundheit, Energie, Wohnraum und so weiter.
 
Das war mein Versuch zu beschreiben, wie und wodurch linke Kommunalpolitik erkennbar und politisch wird. Sage bitte niemand: Das wollen alle anderen Parteien ebenso.
 
Sollte es in Pirmasens wider erwarten doch so sein, dann gebt euren Genossen von der CDU-FDP-SPD einen Aufnahmeantrag für DIE LINKE. Oskar Lafontaine würde sich freuen.

7. 

Am 7. Juni wird in Rheinland-Pfalz doppelt gewählt - kommunal und das EU-Parlament. Erfahrungsgemäß hält sich der Zuspruch bei Kommunal- und bei EU-Wahlen in Grenzen, Tendenz fallend.
 
Ich will da auch gar nichts schön reden. Wir haben es bundesweit mit einem dreistufigen Trend zu tun. Erstens: Parteien-Verdruss. Zweitens: Politik-Verdruss. Drittens: Demokratie-Verdruss.
 
Dafür gibt es verschiedene Ursachen, Aber eines sollte uns allen klar sein: Demokratie-Verdruss ist ein scheunengroßes Einfalls-Tor für rechtsextremistische Kameraden mit ihren menschenfeindlichen Parolen.
 
Gegen Demokratie-Verdruss - das ist meine Überzeugung - hilft nur mehr Demokratie, mehr direkte Demokratie - daheim, im Bund, und EU-weit. Mehr Demokratie muss allerorten ein linkes Markenzeichen sein.
 
Deswegen drängen wir auch im Bundestag. Doch die Union und auch die SPD stellen sich noch immer quer. Und so bleibt die Bundesregierung bei direkter Demokratie noch immer ein EU-Entwicklungsland.

8. 

Aber auch im Verhältnis zur EU dürfen wir keine Missdeutungen zu lassen. DIE LINKE ist selbstverständlich für die europäische Integration. Wäre sie es nicht, dann wäre sie nicht links.
 
Wir wollen ein vereinigtes Europa, wie keine andere Partei. Allerdings wollen wir keine anonyme EU, wir wollen auch keine bürokratische EU, wir wollen eine demokratische EU der Bürgerinnen und Bürger.
 
Wer das ebenso und eine soziale EU will, hat daher am 7. Juni nur eine gute Wahl: DIE LINKE. Denn ohne eine starke LINKE im EU-Parlament wird sich nichts zum Besseren wenden.
 
Aber ich bitte euch alle: Diesen Pro-EU-Geist müssen wir auch ausstrahlen. Mit Skepsis gewinnt man keine Wahlen. Also lasst uns für unsere EU-Vision werben. Und die ist friedlich, demokratisch, sozial.

9. 

Noch ein Wort zum Rechtsextremismus. Monat für Monat frage ich die Bundesregierung, wie viele Straf- und Gewalttaten sie registriert hat, die rechtsextrem motiviert waren. Der Befund ist schlimm.
 
Im statistischen Schnitt werden Stunde für Stunde bundesweit 2 ½ rechtsextreme Straftaten und Tag für Tag 2 ½ rechtsextreme Gewalttaten registriert. Hinzu kommt: Die offiziellen Zahlen stapeln tief.
 
Entsprechend höher ist die Zahl der Opfer rechtsextremistischer Gewalt. Oder anders gesagt: Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus sind hierzulande längst wieder eine Gefahr für Leib und Leben.
 
Und genau deshalb diese Anmerkung: Ich kenne Linke, die sind im ständigen Wettlauf, wer der beste und wahre Antifaschist sei. Ich halte das für brotlose Selbstbespiegelung.
 
Ich finde: Wenn es gegen Rechtsextremismus geht, dann sollten alle anderen politischen Differenzen zurückstehen, dann muss es um breiteste gesellschaftliche Bündnisse gehen - für Demokratie und Toleranz.

10. 

Zum Schluss noch mal nach vorn: Ich sprach vorhin von Klientel-Politik. Das Wort hat keinen Positiv-Klang. Ebenso wenig wie Lobbyismus. Ich verstehe das, spreche aber dennoch dafür. Drei Beispiele:
 
Das erste: CDU, CSU, SPD, FDP und Grüne haben allesamt große Summen von der Deutschen Bank bekommen. Das klingt suspekt und riecht nach käuflicher Politik. Die naheliegende Erklärung ist:
 
Alle diese Parteien haben mit der „Riester-Rente“ den Banken ein lukratives Kapital-Geschäft verschafft. Die Rentner indes dürfen beten, ob ihnen das ganze überhaupt hilft. Vielfach nicht.
 
Der Banken Dank folgte auf dem Fuße. Nicht für die Rentner, sondern für die Riester-Parteien. Nicht für DIE LINKE, denn die war gegen die Kapital-Versicherung. Wenn man das weiß, wird es erhellend.
 
Das zweite: Ich habe aus sozialer und wirtschaftlicher Überzeugung im Bundestag für gesetzliche Mindestlöhne geworben, da wurde ich noch von allen verlacht, auch von der SPD.
 
Heute tut die SPD so, als hätte sie die gesetzlichen Mindestlöhne erfunden. Alle sind plötzlich dafür. Was nur zeigt: „DIE LINKE wirkt!“ Nur eine Partei bleibt standhaft: die FDP!
 
Die FDP ist gegen gesetzliche Mindestlöhne, mit einer Ausnahme: Nämlich wenn es um Mindesthonorare für Anwälte geht. Dann ist sie Klientel-Partei in eigener Sache. Man muss es nur wissen.
 
Das dritte: DIE LINKE fühlt sich als Anwalt für die Benachteiligten. Das sind aber mitnichten nur die „Hartz-IV“-Betroffenen. Das kann genauso der Bäcker von nebenan oder der Hausarzt um die Ecke sein.
 
Sie alle und noch viel mehr sind unsere Klientel. Manche wissen das noch nicht. Das möchte ich gern ändern - sozial und solidarisch, friedliebend und demokratisch, rot, radikal und realistisch.
 

 

 

17.4.2009
www.petra-pau.de

 

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