Rückblick 2006

Petra Pau: „Vieles, was glimmert, flimmert zum Jahreskehrhaus über die bundesdeutschen Bildschirme. Dagegen fasse ich seit einigen Jahren aus meiner Sicht „12 x drei“ zusammen - zwölf Monate, je drei Ereignisse.“

Januar

Palast der Republik: 16 Jahre währte der Kampf gegen seinen drohenden Abriss. Am 14. 01. demonstrierten noch mal viele aus Ost und West für seinen Erhalt. Die Kundgebung im Zentrum Berlins richtete an Bundespräsident Horst Köhler ein „Gnadengesuch“. Vergebens, der Abriss, genannt „demokratischer Rückbau“, geht weiter. Er dauert länger, und er wird teurer als verkündet.

Linker Neujahrs-Empfang: Hunderte kamen am 23. 01. ins Berliner Rote Rathaus - Künstler und Journalisten, Unternehmer und Arbeitslose, Studenten und Senioren, Gewerkschafter und Politiker, neue Mitglieder und alte Sympathisanten der Linkspartei.PDS. Das übergreifende Thema bei Häppchen, Schlückchen und Kabarett hieß: Die NEUE LINKE in Deutschland.

Johannes Rau gestorben: Im Schloss Bellevue wurde kondoliert. Die Schlange der Wartenden am 29. 01. war lang, sehr lang. „Papa Rau“ galt vielen als der letzte Vertreter der Sozialdemokratie in Deutschland. Als Bundespräsident hatte er aktuell mehr Demokratie angemahnt. Und er ging damit auf Distanz zur Politik der rot-grünen Bundregierung und zu Ex-Kanzler Schröder.

Februar

Lizenz zum Töten gestoppt: Das Bundesverfassungsgericht erklärte am 15. 02. das so genannte Luftsicherheitsgesetz für verfassungswidrig. Rot-Grün hatte es beschlossen. Ich hatte es namens der PDS im Bundestag abgelehnt. Im Kern ging es darum, dass die Bundeswehr von Terroristen entführte Flugzeuge abschießen darf, ungeachtet des Lebens der gekidnappten Passagiere.

Telecom-Proteste: Rund 400 Beschäftige der Telecom aus mehreren ostdeutschen Bundesländern demonstrierten am 22. Februar in Berlin gegen den drohenden Abbau von Arbeitsplätzen. Ich unterstützte den Protest namens der Fraktion DIE LINKE. Die anderen Bundestags-Parteien waren der Kundgebung fern geblieben. Immerhin: Die Beschäftigten errangen einen Teilerfolg.

Wahlkampf in BaWü: Ende März wird in Baden-Württemberg gewählt. Ich unterstütze den Wahlkampf der Linken, hier WASG. Am 23. Februar war mein Auftakt in Pforzheim mit Straßenwahlkampf, einer Kundgebung gegen einen Nazi-Aufmarsch und einer Abendveranstaltung in der Schwarzwaldsängerhalle. Danach war ich noch weitere drei Mal im Süd-West-Land unterwegs.

März

Politischer Aschermittwoch: Traditionell rechneten die großen Parteien mit ihren Kontrahenten ab, diesmal am 1. März. Ich parlierte vormittags in der Berliner STäV, der „Ständigen Vertretung“ am Schiffbauer Damm, und abends in Baden-Württemberg, konkret in Stuttgart. „So ein Deutschland bin ich nicht! So ein Deutschland will ich nicht“, war meine 2006er Rede überschrieben.

Demokratie in Aktion: „Campact“ ist eine wachsende und agile Netzwerk-Initiative, die sich via Internet politisch einmischt. Am 03. März startete sie ihre Kampagne gegen die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 19 Prozent. Transparenz bei Nebenverdiensten von Abgeordneten oder keine Telekommunikations-Überwachung waren weitere Themen, die ich 2006 unterstützt habe.

Cicero im Bundestag: Erneut war ein Verstoß gegen die Pressefreiheit publik geworden. Das Magazin „Cicero“ war überwacht und Redaktionsunterlagen waren beschlagnahmt worden. Im Bundestag kam es deshalb am 16. März zu einer Generaldebatte. Ich wies für DIE LINKE die Ausflüchte der Regierung zurück. Auch die FDP und die Grünen forderten ein stärkeres Presserecht.

April

Bleibetest für Deutsche: Seit Monaten werden zum Teil absurde Fragebögen für Migranten erfunden, die deutsche Staatsbürger werden wollen. Pünktlich zum 01. April beteiligte ich mich mit einem Bleibetest für Deutsche. Er umfasst 13 Fragen aus den Bereichen Politik, Geschichte, Sport und Kultur und gilt bundesweit obligatorisch Deutsche aus Ost und West, Nord und Süd.

Neue Vize-Präsidentin: Am 07. April wurde ich von der Mehrheit des Bundestages zur Vizepräsidentin gewählt. Der Fraktion DIE LINKE steht, wie den anderen Fraktionen auch, ein Sitz im Präsidium des Bundestages zu. Ende 2005 war Lothar Bisky bei seiner Kandidatur vier Mal gescheitert. Einige Abgeordnete der Grünen versuchten nun, meine Wahl zu verhindern, erfolglos.

Mindestlohn-Kampagne: Ein Parteitag der Linkspartei.PDS beschloss am 30. April in Halle an der Saale eine Kampagne für einen gesetzlichen Mindestlohn von 8 Euro je Stunde. In der Mehrheit der EU-Staaten gibt es längst gesetzliche Mindestlöhne, um den freien Fall der Löhne zu stoppen. Inzwischen bröckelt auch in der Bundesrepublik Deutschland die Front der Gegner.

Mai

Clara-Zetkin-Saal: DIE LINKE im Bundestag benannte ihren Fraktionssaal nach Clara Zetkin. In meiner Festrede erinnerte ich daran: Als der Umzug des Bundestages von Bonn nach Berlin beschlossen war, musste die Clara-Zetkin-Straße vor dem Reichstag umbenannt werden. Mann wollte draußen nicht an die kommunistische Alterspräsidentin erinnert werden. Nun ist sie stattdessen drin.

Beamten-Podium: Der Deutsche Beamtenbund tagte am 18. und 19. Mai in Berlin. Das beherrschende Thema war die anstehende Föderalismus-Reform, sie greift tief in bisheriges Beamtenrecht ein. Auf einer Podiumsdiskussion vertrat ich DIE LINKE: „Eine solche Reform haben weder die Bürgerinnen und Bürger, noch öffentlich Bedienstete verdient. Sie haben sie auch nicht bestellt.“

Demo gegen Rassismus: Mehrere Tausend Berlinerinnen und Berliner demonstrierten am 26. Mai in Lichtenberg gegen Rechtsextremismus und Rassismus. Anlass war ein Überfall auf den Berliner Abgeordneten der Linkspartei.PDS, Giyasettin Sayan, sowie weitere aktuelle Anschläge auf Türken, Inder und Afrikaner in Berlin und anderen Städten.

Juni

Linke am Werbellinsee: Traditionell hieß es vom 02. bis 05 Juni wieder „Pfingsten mit der Linkspartei.PDS“ am Werbellinsee. Erneut waren Tausend Linke aus allen Bundesländern angereist. Neben Sport, Kultur und Tanz gab es auch politische Podien. Ich debattierte mit meiner Kollegin Kersten Naumann über Soll und Haben nach neun Monaten Bundestagsfraktion DIE LINKE.

New Orleans nach Katrina: Knapp eine Woche lang war ich mit weiteren Mitgliedern des Innenausschusses in den USA. Eine Station war am 10. Juni New Orleans. Dort hatte vor Jahresfrist der Hurrikan Katrina gewütet. Nun, zehn Monate später, gibt es noch immer unglaubliche Zerstörungen. Die Weltmacht USA ist ohnmächtig, wenn es um ihre eigenen Städte und Bürger geht.

Biometrie und Demokratie: „Der vermessene Mensch“ war am 27. Juni ein Symposium des Bundesbeauftragten für Datenschutz überschrieben. Es ging unter anderem um die Einführung biometrischer Verfahren in Pässen und weiteren Ausweisen, etwa der Gesundheits-Card. Ich forderte ein Moratorium für die Einführung der mit Risiken behafteten elektronischen Pässe.

Juli

Flaggen für Miteinader: Die Initiative „Treffpunkt D“ sammelt möglichst viele Fan-Fahnen nach der Fußball-WM. Verknüpft soll so die längste Flagge der Welt entstehen und dann versteigert werden. Der Erlös soll dann „Miteinander e. V.“ in Sachsen Anhalt zugute kommen, ein Projekt gegen Rechtsextremismus. Ich steuerte am 10. Juli eine WM-Fahne von Trinidad & Tobago bei.

Leitkultur - 3. Aufguss: Brandenburgs Innenminister Schönbohm (CDU) hat in der „Netzeitung“ eine alte Kontroverse über eine vermeintliche deutsche Leitkultur aufgewärmt. In einem Gastbeitrag dagegen warnte ich am 11. Juli davor, anmaßend den Boden des Grundgesetzes zu verlassen. Ich forderte stattdessen einen Kultursprung in der Einwanderungs- und Integrationspolitik.

Podium im Allgäu: Erneut nutzte ich meinen Urlaub im Allgäu für eine Podiumsdiskussion, voriges Jahr in Kempten, diesmal in Kaufbeuren. In der Debatte am 28. Juli ging es vor allem um die aktuelle Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, um die Auswirkungen für die Betroffenen und um den gleichzeitigen Abbau verbriefter Bürgerrechte, etwa dem Datenschutz.

August

Hilfe für Delmenhorst: Eine anwachsende Bürgerinitiative kämpft im niedersächsischen Delmenhorst dagegen, dass ein leerstehendes Hotel zu einem rechtsextremistischen Ausbildungszentrum umgewidmet wird. Petra Pau schrieb sich am 16. August in die Unterstützerliste „Für Delmenhorst“ ein. Die Initiative versucht, das Gebäude selbst zu kaufen. Das gelang im Dezember 2006.

CSD in Stuttgart: Über 150.000 besuchten den traditionellen Umzug zum Christopher-Street-Day am 19. August in der Landeshauptstadt von Baden-Württemberg. Ich sprach auf der Schluss-Kundgebung. Ministerpräsident Oettinger (CDU) hatte ein Grußwort verweigert. Und auch diesmal protestierten Vertreter der Kirchen gegen die Forderungen der Schwulen und Lesben.

Politik im Center: Mit einem Info-Truck und einer Wander-Ausstellung tourt der Bundestag übers Land. Für eine Woche hatte er sich in Berlin-Lichtenberg, im „Linden-Center“ niedergelassen. Am 31. August beantwortete ich dort gemeinsam mit meinen Kolleginnen Gesine Lötzsch und Kersten Naumann die Fragen der verweilenden Einkaufs-Besucherinnen und -Besucher.

September

Special Olympics: Am 12. September wurden in der Berliner Max-Schmeling-Halle die Special-Olympics Deutschland eröffnet, bei der 2.700 geistig und mehrfach Behinderte aus allen Bundesländern und fünf weiteren Staaten in 15 sportlichen Disziplinen wetteiferten. Ich hatte die Patenschaft über die Sportlerinnen und Sportler aus Mecklenburg-Vorpommern übernommen.

Linke Niederlage: In Mecklenburg-Vorpommern wurde am 17. September ein neuer Landtag gewählt, in Berlin das Abgeordnetenhaus. Im Nord-Osten konnte die Linkspartei.PDS ihr Vorwahlergebnis relativ halten, in der Hauptstadt erlitt sie eine derbe Niederlage. Noch markanter war der weitere Vormarsch der Rechtsextremisten, insbesondere der NPD. Es braut sich was zusammen.

Programm-Konvent: In Hannover trafen sich am 30. September rund 300 Mitglieder der Linkspartei.PDS, der WASG sowie parteilose Linke zu einem gemeinsamen Konvent. Es ging um programmatische Eckpunkte für die neue Linkspartei, die im Juni 2007 gebildet werden soll. Ich habe die Programmatik aus Bürgerrechts-Sicht gewogen und in der Debatte für zu leicht befunden.

Oktober

Emigrierte in Berlin: Seit 1969 lädt der Senat ehemalige Berlinerinnen und Berliner ein, die in der Zeit des Hitlerfaschismus flüchten mussten und konnten. Am 13. Oktober empfing ich als Vizepräsidentin des Bundestages rund 40 Besucherinnen und Besucher, die seinerzeit in Argentinien, England, Frankreich, den Niederlanden, in Schweden und Israel Zuflucht fanden.

DGB-Kundgebungen: „Das geht besser - aber nicht alleine!“ So waren am 21. Oktober Kundgebungen in zahlreichen deutschen Großstädten überschrieben. Allein in Berlin beteiligten sich 80.000 am Protest gegen den anhaltenden Sozialabbau, auch die Partei- und Fraktionsspitze der Linken. „Rente mit 67“ und die drohende „Gesundheits-Reform“, waren die neuen Reizworte.

Neue Antiterror-Gesetze: Nach den Attentaten am 11. September 2001 wurden auch in Deutschland umfassende so genannte Antiterror-Gesetze erlassen, die tief in Bürgerrechte einschneiden. Nun will die große Koalition draufsatteln. Am 20. Oktober widersprach ich im Bundestag, insbesondere gegen die geplante Antiterror-Datei, mit der die Geheimdienste noch mehr aufgerüstet werden.

November

Nazi-Aufmärsche: Die NPD hielt ihren Bundesparteitag in Berlin ab, in der Reichshauptstadt, wie sie tönte. Am 18. November wollten Rechtsextremisten erneut vor dem Soldatenfriedhof in Halbe aufmarschieren. Das konnte mit einem „Tag der Demokraten“ verhindert werden, zu dem rund 10.000 Leute in die Brandenburgische Kleinstadt kamen. Ich sprach auf der Kundgebung.

3er-Konferenz: In Potsdam fand am 25. November eine Regional-Konferenz statt, zu der die Landesvorstände der Linkspartei.PDS Berlin und Brandenburg sowie die Brandenburger WASG eingeladen hatten. Es ging um die Gründungs-Dokumente der neuen Linkspartei. Ich forderte, den Demokratischen Sozialismus darin verbindlich zu verankern und die Bürgerrechte zu stärken.

Gegen Bombodrom: Seit rund 15 Jahren engagieren sich verschiedene Bürgerinitiativen in der Kyritz-Ruppiner Heide gegen die Aktivierung des „Bombodrom“, einem Bombenabwurfplatz, der einst von der Sowjetarmee genutzt wurde und nun der NATO zu Diensten sein soll. Am 28. November empfing als Vize-Präsidentin Vertreter der Bombodrom-Gegner im Bundestag.

Dezember

Montags-Demo: 2004 gab es in allen Bundesländern Montags-Demos. Sie richteten sich gegen Hartz IV und den anhaltenden Sozialabbau. In einigen Orten gibt es sie noch. So treffen sich in Weißenfels noch immer Montag für Montag rund 100 Demonstranten. Auf meiner Sachsen-Anhalt-Tour sprach ich am 4. Dezember auf ihrer Montags-Kundgebung zu und mit ihnen.

Ossietzky-Medaillen: Die Liga für Menschenrechte verlieh am 10. Dezember die diesjährigen Ossietzky-Medaillen an Major Florian Pfaff. Er hatte einen Befehl verweigert, der ihn zum Kriegsteilnehmer im Irak gemacht hätte. Auch Anwalt Bernhard Docke wurde gewürdigt. Er verteidigt den aus Bremen stammenden Guantanamo-Häftling Kurnaz. Ich nahm an der Ehrung teil.

Konferenz in Milano: Eine internationale Konferenz der Europäischen Linken und der Linksfraktion im EU-Parlament führte am 16. Dezember Politiker, Journalisten, Anwälte und allgemein Interessierte aus acht EU-Staaten zusammen. Das Thema: Der so genannte Antiterrorkampf der USA - CIA-Flüge, Entführungen, Geheimlager in Europa. Ich sprach für die Fraktion DIE LINKE.


 
Petra Pau,
29. 12. 2006

 

 

29.12.2006
www.petra-pau.de

 

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