Aktuelle Notiz: Neue Linke a lá 1998?

von Petra Pau
Berlin, 21. März 2007

1. 

„Heute vertritt die Linke das Programm der SPD“. Das war der Titel im „Tagesspiegel“ am 19. 03. 2007. Und damit wurde Oskar Lafontaine zitiert. Im Text des Interviews war dann von Versprechen der SPD anno 1998 die Rede. Sie wurden gebrochen, von Schröder & Fischer. Oskar Lafontaine trat zurück. Ein seltenes Fanal. Und nun tritt Oskar wieder an. Für eine neue SPD a lá 1998? Genau da setze ich ein Denk-Zeichen.

2. 

Damals gab es einen linken Aufbruch-Versuch. Er wurde erstickt. „Bis hierhin und nicht weiter!“, war die „Erfurter Erklärung“ überschrieben. Sie wurde von einem Bündnis aus Gewerkschaftern, Kirchenleuten und linken Politikern getragen. Und sie motivierte 80.000 Demonstranten in Berlin gegen die unsoziale Politik der Kohl-Regierung zu protestieren. Die PDS war präsent, die 98er SPD nicht. Jedenfalls nicht als Partei.

3. 

Die PDS war damals aus drei Gründen dabei: Zum einen ging es um die sozial Benachteiligten, deshalb zum zweiten um einen Politikwechsel und drittens auch um die Anerkennung der PDS als solidarischer Partner. Nicht nur als Ost-Partei, wie gern behauptet wurde, sondern als soziale und demokratische und sozialistische Bürgerrechtspartei. Genau dieser Anspruch unterschied die „PDS 98“ schon damals von der „SPD 98“.

4. 

Die PDS wollte nach der Vereinigung eine moderne Verfassung, die SPD begnügte sich mit dem alten Grundgesetz. Die PDS wollte mehr Demokratie wagen, also auch direkte Demokratie auf Bundesebene. Die SPD verschanzte sich dagegen hinter den Unions-Parteien. Die PDS war dagegen, das Asylrecht weitgehend zu schleifen. Die SPD war dafür. Die Liste der Unterschiede und Gegenläufigkeiten ist noch viel länger.

5. 

Die SPD hat das Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung“ mitgetragen und damit wesentlich zum kapitalen Ausverkauf der DDR beigetragen. Die PDS hat das immer kritisiert. Die PDS war auch dagegen, das Rentenrecht als Strafrecht gegen DDR-Bürger zu missbrauchen. Die SPD war dafür. Die PDS wollte das Ende des Kalten Krieges für eine radikale Abrüstung und für die Auflösung der NATO nutzen. Auch das wollte die SPD nicht.

6. 

Warum liste ich diese Differenzen auf, wo es doch um Einigkeit geht? Weil es für eine neue Linkspartei eben nicht reicht, politisch bei der SPD anno 1998 anzuknüpfen. Die PDS hatte 1990 viel aus dem 89er Programm der SPD übernommen. Aber de facto ist die SPD schon 1990 nach rechts abgedriftet und die PDS musste sie links überholen, um eine verwaiste Lücke zu füllen: praktisch, politisch, programmatisch, links!

7. 

Das betrifft auch grundsätzliche und konzeptionelle Fragen. Die SPD hat immer auf die Macht des Staates gesetzt, die PDS immer weniger. Ausgangspunkt vieler programmatischer Leitsätze der Linkspartei.PDS sind mündige Bürgerinnen und Bürger sowie eine couragierte Zivilgesellschaft. Das ist ein strategischer Konflikt mit der WASG. Die neue Linke wird ihn erben. Auch er löst sich nicht mit Verweis auf 1998.

8. 

Prof. Wolfgang Fritz Haug, ein ausgewiesener Marx-Kenner, beschrieb seine neuen Erkenntnisse so: „Links ist alles Handeln, dass Welt aus dem Reich des Privateigentums zurückgewinnt, ohne sie dem Reich des Staatsapparats auszuliefern.“ Das war 1999 in seinem Buch „Politisch richtig oder richtig politisch“. Das war eine erneute Absage an den gescheiterten Real-Sozialismus, aber auch an die traditionelle SPD.

9. 

Auch deshalb zweifele ich, ob der Slogan „zurück zur wahren SPD“ ein guter ist und weiter führt, egal, mit welchem Datum der Rechtsruck der Deutschen Sozialdemokratie bedacht wird. Umso wichtiger wird die programmatische Debatte der neuen Linkspartei, nachdem sie sich im Juni 2007 konstituiert haben wird. Es gibt strategische Differenzen zwischen der Linkspartei.PDS und der WASG. Sie sind ernster zu nehmen.

10. 

Beide Parteien, die Linkspartei.PDS und die WASG, haben sich auf gemeinsame programmatische Eckpunkte verständigt. Ihr Kern besteht im Widerstand gegen den weltweiten, neoliberalen Raubbau. Das ist viel. Aber es ist zu wenig für eine moderne Linkspartei. Streit ist also vorprogrammiert. Offen bleibt, ob er sachlich geführt wird oder machtvoll. Als einschlägig gebeutelte Linke bleibe ich dennoch optimistisch.
 

 

 

21.3.2007
www.petra-pau.de

 

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