Aktuelle Notiz: Vorgezogene Bundestags-Wahl

von Petra Pau
Berlin, 23. Mai 2005

1. 

In Nordrhein-Westfalen wurde ein neuer Landtag gewählt. Die SPD erlitt in ihrem Stammland eine derbe Niederlage, eine weitere. Sie erhielt die Quittung für eine unsoziale Politik, die, ob als „Hartz“ oder als „Agenda 2010“, für wachsenden Unmut und für sinkendes Vertrauen sorgt. Daran konnte auch die wortstarke, aber tatenlose Kapitalismus-Kritik des SPD-Vorsitzenden nichts mehr ändern.

2. 

Die SPD-Spitze reagierte noch am Wahlabend mit einem Coup, überraschend vor allem für die eigenen Reihen. Sie nimmt Kurs auf vorgezogene Wahlen zum Bundestag. Dadurch sollen die siegessichere Konkurrenz verunsichert und die verunsicherte SPD zusammengehalten werden. Es ist ein Poker-Spiel mit offenem Ausgang. Offiziell will sich Bundeskanzler Schröder ein frisches Mandat für seine Politik holen.

3. 

Damit knüpft die SPD-Spitze dort an, wo sie in NRW aufgehört hat. Sie will keinen Kurs-, schon gar keinen Politikwechsel. Sie will die CDU/CSU und die FDP taktisch vorführen. Die offizielle SPD-Sprachregel heißt: „soziale Marktwirtschaft oder soziale Kälte“, Rot-Grün oder Schwarz-Gelb. Damit wird ein Scheinwiderspruch aufgeblasen. Denn alle gemeinsam haben die Gesundheits-, die Steuer- und die Arbeitsmarktreform vorangetrieben, ebenso den Abbau von Bürgerrechten. Das waren strategische Gemeinsamkeiten.

4. 

In allen großen Fragen stand es in der ablaufenden Bundestags-Legislatur 2:4, zwei PDS-Frauen gegen vier Fraktionen: in der Friedensfrage, bei sozialen Themen, wenn es um die neuen Bundesländer ging und in der Steuer-Politik. Hinzu kommt: Der Bundestag wurde mehr und mehr entmündigt. Immer weniger Entscheidungen fallen im „Hohen Haus“, immer mehr Beschlüsse werden in außerparlamentarischen Elite-Runden gefällt. Zum Sozialabbau kommt der Demokratieverlust. I-Punkt war das Entsendegesetz, wonach Auslandseinsätze der Bundeswehr nun auch ohne Votum des Bundestages veranlasst werden können.

5. 

Spätestens mit der Verweigerung einer Volksabstimmung zur EU-Verfassung wurde das einstige Versprechen „für mehr Demokratie“ ad acta gelegt - wieder gemeinsam durch CDU, CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Bürgerrechte wurde nur noch durch die FDP und die PDS im Bundestag verteidigt. Zum zweiten Mal nach 1990, als es nach der Vereinigung um eine Volksabstimmung über die gemeinsame Verfassung ging, wurde nunmehr ein historisches Fenster für direkte Mitbestimmung auf Bundesebene geschlossen. Ein weiteres Paradebeispiel für gebrochene Wahlversprechen war das so genannte Zuwanderungsgesetz. Auch hier gingen CSU und SPD eine unheilige Allianz ein.

6. 

In NRW, meinte ein Journalist, gehe es um die Wahl zwischen „Hartz“ und „Heuschrecken“, zwischen SPD und CDU. Das Bild war gut. Es stimmt nur nicht. „Hartz“ meinte die Politik der SPD und mit „Heuschrecken“ als kapitalismuskritisches Synonym die Politik der CDU. Doch „Hartz“ ist ein Gemeinschaftswerk von SPD und CDU. Und „Heuschrecken“ sind eine SPD-Worthülse, ohne politische Folgen. Das ist der tatsächliche Ausgangspunkt für die vorgezogenen Neuwahlen. Und darin liegt die eigenständige Chance für die PDS - gegen „Hartz“ und „Heuschrecken“, für soziale Gerechtigkeit und Demokratie.

7. 

Der PDS-Vorsitzende Lothar Bisky hat heute gemahnt, die partei-internen Zwiste einzufrieren und alle Kraft für die Bundestags-Wahl der PDS in Fraktionsstärke zu bündeln. Das teile und begrüße ich. Aber in einer Frage bleibe ich hartnäckig. Es reicht nicht Nein zu sagen. Sorgen haben die Menschen auch ohne uns. Pure Kapitalismus-Kritik hilft ihnen nicht. Sie erwarten glaubhafte Alternativen und politische Angebote, auf die sie setzen können. In diesem Sinne habe ich im Bundestag agiert und genauso werde ich den vorgezogenen Wahlkampf annehmen.
 

 

 

23.5.2005
www.petra-pau.de

 

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