Wir wollen Reformen und wir haben Alternativen

Rede auf dem Landesparteitag der PDS Sachsen-Anhalt,
Leuna, 11. 09. 2004

1. 

Die PDS ist im Umfrage-Hoch. Wir sind im Wahlkampf. Und wir haben einen Bundes-Parteitag vor uns, bei dem es um die künftige Strategie geht. Das ist der aktuelle Rahmen - für euren Landesparteitag und für uns im Bundestag.
Die PDS wird seit Wochen bundesweit zwischen 6 und 8 % gehandelt. Das ist gut und gemessen an Umfragen vor Jahresfrist fast so etwas, wie eine Wiedergeburt. Wir wären Deppen, wenn wir diesen Aufwind nicht als zusätzliche Motivation nutzen würden.
Zumal: Die FDP wetterte diese Woche im Bundestag über Splitterparteien, wie die PDS. Das kommt gut! Allemal, wenn wir bundesweit bei 7 % und die Pieper-Partei mit 6 % notiert wird. Also lasst uns gemeinsam weiter kämpfen.

2. 

Ich setze allerdings auch zwei mahnende Zeichen. Wer glaubt, wir müssten nur kräftig Nein sagen und vornweg protestieren, liegt falsch. „Hartz - weg damit“, ist richtig, aber nicht ausreichend.
Punkt 1: Wir müssen unsere Alternativen, unsere „,Agenda sozial“ viel mehr in die öffentliche Debatte bringen. Das ist der eigentliche und zugleich schwierige Part unseres Widerstandes gegen die „Agenda 2010“.
Punkt 2: „Nein“ sagen auch die Nazis. Der Unterschied liegt beim „Ja“. Das müssen wir deutlicher denn je machen. Wir wollen eine soziale, eine solidarische und eine gerechte Welt. Das ist das Gegenteil aller rechten, nationalistischen, rassistischen Parolen.

3. 

Seit die „Hartz“-Proteste laufen, ist der Ton rauer geworden. Wir erleben das auch im Bundestag. Bundestagspräsidenten Thiese zum Beispiel muss seinen ganzen, hochdotierten Stab aktiviert haben, damit Gesine und ich ja keine Sekunde mehr im Plenum reden können, als uns offiziell zusteht.
Nächste Woche wird es im Bundestag zwei Tage der offenen Tür geben. Nach dem, was wir bisher wissen, wird versucht, die PDS im Bundestag davon auszuschließen. Das werden wir uns natürlich nicht gefallen lassen.
Aber ich erzähle das auch aus einem anderen Grund. Wir müssen aufpassen und wir tun das auch, dass die Auseinandersetzungen um „Hartz IV“ und um die „Agenda 2010“ keine unheilbaren Wunden schlagen. Und wir dürfen die CDU/CSU und die FDP nicht aus ihrer Verantwortung entlassen. Ich habe mich beispielsweise sehr gewundert, als sich Euer Ministerpräsident, Herr Böhme von der CDU, plötzlich als „Hartz“-Kritiker profilierte. Erst stramm zustimmen und dann den Robin-Hood mimen, dass nenne ich Populismus pur.

4. 

Besonders perfide und gefährlich sind die wiederholten Versuche, die NPD und die PDS in einen Topf zu werfen. Gesine und ich, wir haben das in der Haushaltsdebatte im Bundestag natürlich zurück gewiesen.
Ich habe zum Beispiel gesagt:
„Sie sollten sich schämen und entschuldigen.
Nicht nur, dass sie damit viele Antifaschisten, die der Folter in faschistischen KZs entkommen sind und nun der PDS nahe stehen, schlimm beleidigen. Sie verharmlosen zugleich die NPD, die mit nationalistischen und rassistischen Parolen durchs Land zieht.
Mit dieser absurden Gleichsetzung gefährden sie obendrein das gesellschaftliche Bündnis gegen rechts und für Toleranz. So kurzsichtig darf man nicht denken, auch nicht im Wahlkampf“.

5. 

„Hartz IV“ birgt einen weiteren Konflikt, bei dem wir sehr aufpassen müssen. Richtig ist, mit einem ALG II, das im Osten niedriger ist, als im Westen, wird die Ost-West-Spaltung gesetzlich fortgeschrieben. Das ist absurd und durch nichts zu begründen.
Wir haben deshalb vorgeschlagen: Heben sie das ALG II wenigstens einheitlich auf 400 &eurp; an. Das macht „Hartz IV“ nicht gut, aber es wäre ein Signal zum Besseren. Aber selbst dazu sind die „Hartz“-Verfechter derzeit nicht bereit.

6. 

Zugleich sage ich aber auch: „Hartz IV“ ist kein Ost-, sondern ein gesamt-deutsches Problem. Denn die Agenda 2010 insgesamt ist der Gegenentwurf zu einem modernen sozialen Rechtsstaat.
Wenn nun Ministerpräsidenten aus den alten Bundesländern daraus einen Ost-Konflikt basteln und mit Liebes-Entzug drohen, dann dürfen wir eben nicht in die so aufgestellte Falle tappen. Nicht Ost-West ist das Kardinal-Problem, sondern Arm und Reich. Das müssen wir immer wieder klar machen.

7. 

Mit der Agenda 2010 wird denen genommen, die mehr brauchen und denen gegeben, die ohnehin viel haben. Das ist ungerecht. Und im Zusammenspiel mit der Steuerreform wird denen genommen, die konsumieren und denen gegeben, die spekulieren. Das ist obendrein unvernünftig, denn es schwächt den schwachen Binnen-Markt.
Unter dem Strich wird es nicht weniger Arbeitslose geben, sondern mehr arme Arbeitslos nebst Angehörigen. Nicht nur im Osten, sondern in allen Strukturschwachen Regionen, in Franken ebenso wie im Saarland oder Bremerhaven.
Außerdem: Mit mir sind Gedankenspiele, wonach sich die PDS auf den Osten konzentrieren und den Westen anderen überlassen solle, ohnehin nicht zu machen.

8. 

Deshalb müssen wir überall für unsere "Agenda sozial" werben. Wir müssen mit Angeboten der Mär entgegen treten, die Agenda 2010 sei alternativlos. Wir dürfen nicht Verharren, wir sagen nicht nur Nein, wir streiten für wirkliche Reformen. Allerdings andere, als uns seit Jahren verordnet werden.
Wir wollen erstens eine andere Steuerpolitik, eine, die von oben nach unten umverteilt und nicht andersherum.
Wir wollen eine andere Sozialpolitik, eine die solidarisch wirkt und nicht die Betroffenen zusätzlich belastet.
Und wir wollen mehr Demokratie und keine „Basta“-Politik.

9. 

Und damit wäre ich bei meinem abschließenden Wunsch: Lasst uns gemeinsam den gesellschaftlichen Druck für mehr Demokratie erhöhen. Grundsätzlich, aber auch aktuell.
Wir fordern ein Plebiszit über die künftige EU-Verfassung und ich schlage dafür immer wieder den 8. Mai 2005 vor. Das wäre ein symbolisches und zugleich ein verpflichtendes Datum - EU-weit.
 

 

 

11.9.2004
www.petra-pau.de

 

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