Aktuelle Notiz: Hudelei und Huberei

von Petra Pau
Berlin, 30. Mai 2012

1. 

Ob ich auf dem Parteitag der LINKEN sprechen will, werde ich in Göttingen entscheiden. Es drängt mich sprudelnd. Aber es hemmt mich trudelnd. Fast alles, was aktuell zu hören und zu lesen ist, dreht sich um Innereien, parteipolitische Nieren und Leber, seltener um Herzen, fast nie um Hirne. Es ist ein wallendes Grausen ...

2. 

... mit Aussicht auf Besserung. Noch vor Wochen fragten Medien: „Unterwirft sich DIE LINKE oder emanzipiert sie sich?“ Zumindest bei den Bewerbungen für den Parteivorsitz ist die Frage wieder offen. Aus ICH wurde Wir. Und aus dem namenlosen WIR, traten Ichs hervor. Ein Hoffnungsschimmer, mehr noch nicht.

3. 

Die eigentliche „Göttinger Frage“ bleibt: Ökumene oder Finale? Die Worte werden rüder, gezielten Tiefschlägen gleich. Ich habe das böse Wort „stalinistisch“ bislang vermieden. Lothar Bisky rief es vor zwei Jahren auf. Er warnte vor politischen Unkulturen, die überwunden schienen und für eine moderne Linke tödlich sind.

4. 

Viele spüren das Ignorieren und das Denunzieren, das innerhalb der LINKEN Raum greift. Von lautstarken Wenigen, gegen verzweifelt Viele. Und das Aussetzen normaler Demokratieregeln. Wer in gewissen Kreisen genehm ist, „darf“ kandidieren, wer nicht, halt nicht. Die Kehrseite davon sind Lobhudeleien bis zur Kimkeske.

5. 

DIE LINKE will Berge versetzen, stürzt aber schon wieder über die eigenen Füße. Im freien Fall rufen einige noch: „Kurs halten!“ Absurd! Ein Wahnwitziger sprang vom Wolkenkratzer. „Bis hierhin ging es gut“, sauste er am dritten Stock vorbei. Und das Publikum fragt baff: „Das also ist die neue soziale Idee?“

6. 

Nicht wer am lautesten vermeintliche Wahrheiten verkündet ist ein moderner Linker, sondern wer einladend spannende Fragen aufwirft. Nicht wer sich als Avantgarde spreizt, sondern wer sich als Teil eines bewegten Mosaiks begreift. Nicht wer alte Lösungen recycelt, sondern wer neue sucht. Finde ich.

7. 

DIE LINKE hat in Erfurt ein Programm beschlossen. Ich habe ihm zugestimmt, aber nie einen Zweifel daran gelassen: Das darf kein Ende der Debatte sein. Andere tun so, als sei der Rütlischwur zum „Erfurter Programm“ die Gretchenfrage der LINKEN. Ich halte das für Stillstands-Sozialismus. Vorwärts nimmer!

8. 

Diese und mehr Fragen drängen, versteckt hinter und verdeckt durch Personal-Debatten. Ich fürchte, DIE LINKE könnte sich in Göttingen ähnlich verkeilen, wie seinerzeit die PDS Gera. Und niemand würde nichts verstehen. Warum auch? Linkshuberei statt sozial und solidarisch. Innerparteilicher Kleinkrieg, statt Weltfrieden.

PS: Gruß von Johann Wolfgang von Goethe:

Priester werden Messe singen,
Und die Pfarrer werden pred'gen;
Jeder wird vor allen Dingen
Seiner Meinung sich entled'gen
Und sich der Gemeine freuen,
Die sich um ihn her versammelt,
So im Alten wie im Neuen
Ungefähre Worte stammelt.
Und so lasset auch die Farben
Mich nach meiner Art verkünden,
Ohne Wunden, ohne Narben,
Mit der lässlichsten der Sünden.
 

 

 

30.5.2012
www.petra-pau.de

 

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