Glaubwürdigkeit der Politik

Sehr geehrte Frau Pau!

Nach dem hin und her in Hessen zur Frage der Glaubwürdigkeit der SPD, ergeben sich für mich Fragen bzw. Anregungen. Das ganze Theater erinnert mich an den Bundestagswahlen der letzten Jahre. Kohls blühende Landschaften und Schröders angebliche und vorrangige Aufbau-Ost Initiative vor der Wahl entpuppen sich immer als Rückbau Ost. Wer geglaubt hatte, daß mit der großen Koalition eine grundlegende Wende eintritt, wurde sehr schnell auf den Boden der Tatsachen zurück geholt. Nicht nur zunehmende Verarmung der Kommunen und Bevölkerung (allein bei Kindern 2,5 Millionen), auch der zunehmende Frust macht sich deutlich bei Wahlbeteiligungen bemerkbar.

Dazu passt die Aussage Münteferings vom August 2006. Es ist unfair, uns an dem zu messen, was vor der Wahl gesagt wurde. DAS IST UNFAIR. Dass die Regierungsparteien jegliche Realität und Glaubwürdigkeit in großen Teilen zur Bevölkerung verloren haben, sieht man m. E. nicht nur an der Wahlbeteiligung. Unbegreiflich nicht nur für mich, daß man in solch einer Situation überhaupt den Gedanken der Diätenerhöhung äußern, geschweige realisieren kann. Daß Ihre Fraktion als einzige dagegen gestimmt hat, ist bezeichnend für den Realitätsverlust der anderen Parteien.

Frage? Was kann den Abbau des „Sozialstaates“ eigentlich noch stoppen? Wäre es nicht angebracht, wenn künftige Wahlen nur noch im April stattfinden? Man braucht sich nach der Wahl nicht mehr zu rechtfertigen, warum wieder ein Schwenk vollzogen wird? Siehe Mehrwertsteuer u. a. - Ein einziges „April, April“ genügt - und kommt der Realität am nächsten! Wäre meine Situation nicht Hartz 4, wäre ich mit Sicherheit auch Mitglied Ihrer Partei.

Mit solidarischen Grüßen
Rüdiger Tinius
4. April 2008

Sehr geehrter Rüdiger Tinius,

die so genannte Politik steckt in der Tat in einer tiefen Glaubwürdigkeitskrise. Sie ist unübersehbar und sie erhält immer neue Nahrung. Das kann weiter gehende Folgen haben, die nicht gut sind. Ich habe über meine Gedanken dazu auf den 10. Hannah-Arendt-Tagen gesprochen. Sie können das auf meiner Webseite nachlesen, siehe
http://www.petrapau.de/person/lesbar/071013_10-hannah-arendt-tage.htm.

Nun noch zwei Anmerkungen:
Häufig erlebe ich, dass Bürgerinnen und Bürger mir schreiben, weil sie mit Diesem und Jenem nicht einverstanden sind: mit Hartz IV, mit der sogenannten Gesundheitsreform oder mit der Rentenpolitik usw.. Wenn ich dann zurück frage, was haben denn die MdBs der anderen Parteien geantwortet, dann bekomme ich meist folgende Antwort: „Den habe ich gar nicht erst geschrieben. Die antworten ja sowieso nicht.“ Und genau das halte ich für grundfalsch. Bei mir und bei der Linkspartei rennt man mit all diesen Problemen offene Scheunentore ein. Solange aber die Abgeordneten der verantwortlichen Parteien nicht mehr und mehr spüren, dass ihre unsoziale Politik missbilligt wird, so lange fühlen diese sich auch noch in ihrem Tun bestärkt.

Den klassischen Beleg dafür erleben wir gerade in einigen westdeutschen Ländern. In Hessen hat die SPD einen Wahlkampf mit vorwiegend linken Themen geführt. Das hätte sie nie getan, wenn es DIE LINKE nicht gäbe. Die Bürgerinnen und Bürger haben also sehr wohl Möglichkeiten, den Abbau des Sozialstaates zu stoppen. Und das derzeitige Tohuwabohu in der SPD und der Rückfall der Union in eine plumpe Kalte-Kriegs-Rhetorik sind letztlich nur weitere Belege für meine These: DIE LINKE wirkt.

Ansonsten ist „Hartz IV“ kein Grund, nicht Mitglied der Linkspartei zu werden. Wir haben viele solche Mitglieder und so viel ich weiß, ist DIE LINKE die einzige Fraktion mit einer Bundestags-Abgeordneten, die vordem selbst von „Hartz IV“ unmittelbar betroffen war.

Mit solidarischen Grüßen

Petra Pau
7. April 2008

 

 

7.4.2008
www.petra-pau.de

 

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