Rechtsextremismus bekämpfen - Rechtsstaat stärken

Petra Pau auf der PDS-Pressekonferenz am 31. Januar 2005

1. 

Seit Tagen hat die Debatte über ein mögliches Verbot der NPD Konjunktur. Allemal, seit der Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, Prof. Hans-Jürgen Papier klargestellt hat: Das Bundesverfassungsgericht hatte 2003 nicht in der Sache entschieden, sondern lediglich über das Verfahren geurteilt.
 
Das war so und das ist überhaupt nicht neu. Deshalb wundere ich mich schon, dass so viele Politiker so überrascht auf das Papier-Zitat reagieren. Zur Erinnerung: Das Verfahren war verfahren, weil zahlreiche Belege für die Verfassungsfeindlichkeit der angeklagten NPD aus dem Mund, der Feder oder dem Computer von V-Leuten stammte. V-Leute aber sind gekaufte Informanten und bezahlte Täter zugleich. Sie taugen nicht als rechtsstaatliche Zeugen.
 
Deshalb bleibe ich auch dabei: Das NPD-Verbot scheiterte nicht am Bundesverfassungsgericht, sondern an der V-Leute-Praxis des Staates, von Bundesinnenminister Schily und seinen Amtskollegen in den Ländern. Sie standen damals vor der Frage: Entweder die NPD wirklich verbieten lassen und auf V-Leute verzichten? Oder bei der V-Leute-Praxis bleiben und das NPD-Verbot gefährden. Schily & Co. entschieden für die V-Leute und damit implizit für die NPD. Zugleich wurden wir mitklagenden Parlamentarier kalt gestellt. Das Verfahren war also mehrfach verfahren.
 
Ich kenne keine Anzeichen, wonach dies heute anders wäre. Und damit bin ich bei meinem ersten Punkt: So lange die Verfahrens-Hindernisse nicht beseitigt werden, so lange bewirken die anhaltenden Verbotsdebatten aus Sicht der umstrittenen Partei nur eines: sie sind kostenlose NPD-Werbung. Auch deshalb werde ich mich an der aktuellen Verbots-Debatte nicht weiter beteiligen. Sie lenkt doppelt ab: Von den Fehlern des Staates und von der eigentlichen Herausforderung.

2. 

Sie kennen die Zahlen: Die NPD hat im sächsischen Landtag 12 Sitze, weil sie von 191.000 Bürgerinnen und Bürgern gewählt wurde. Das ist die eigentliche Dimension. Sie ist politisch und gesellschaftlich, aber nicht justiziabel. Deshalb hilft auch kein Ruf nach einem starken Staat oder nach einem kurzen Prozess. Die Gesellschaft muss die Herausforderung mit Zivilcourage annehmen und die Politik muss sie dabei unterstützen. Als die CDU und die FDP z.B. in Sachsen-Anhalt die Regierungsgeschäfte übernahmen, da kürzten sie sofort die Förder-Mittel für gesellschaftliche Initiativen gegen Rechtsextremismus, für Demokratie und Toleranz.
 
Ich füge zwei weitere Zahlen an: Im Bundesschnitt registriert das Ministerium des Innern stündlich eine rechtsextreme Straftat und täglich 2 1/2 Gewalttaten. Die Zahlen sind amtlich, sie sind vorläufig und sie stapeln tief. Wenn es also darum geht, den Rechtsstaat gegen den grassierenden Rechtsextremismus in Stellung zu bringen, dann gibt es dafür hinreichend strafwürdige Anlässe. Ich verweise nur auf § 81, 82, 84, 86 und 130 Strafgesetzbuch.

3. 

Für falsch halte ich alle Versuche, eine vermeintliche Lex NPD zu stricken. Wer das Versammlungsrecht partiell beschneiden will, beschneidet es grundsätzlich. Das wäre keine Antwort auf den Rechtsextremismus, das wäre eine Dienstleistung für den Rechtsextremismus.
 
Ebenso halte ich Gedankenspiele für untauglich, der NPD staatliche Gelder zu entziehen, die ihr als Partei zustehen. Ja, es ist unerträglich, dass Opfer des Faschismus mit ihren Steuern Täter des Faschismus mitfinanzieren. Aber auch hier gilt: Eine Lex NPD kann es rechtsstaatlich nicht geben. Grundrechte sind universell, auch wenn es weh tut. Werden sie beliebig oder verfügbar, dann sind es keine Grundrechte mehr.
 
Die so genannte Indemnität wird plötzlich in Frage gestellt, weil die NPD sie im sächsischen Landtag nutzt, ihren Ungeist zu erklären. Die Indemnität, also das freie, nicht strafbare Wort der Parlamentarier, war eine Uralt-Forderung der Arbeiterbewegung, von Demokraten und Liberalen. Sie wurde von den Nazis getilgt. Allein das sollte nachdenklich stimmen.
 
Wir diskutieren also nicht nur über die NPD. Wir debattieren über die Verfasstheit der Republik, über das Grundgesetz, über die viel zitierte freiheitlich demokratische Grundordnung. Deshalb sollten populistische Kurzschlüsse unterbleiben. Sie lenken ab und sie wecken gefährliche Illusionen. Kommenden Freitag werden die rechts- und innenpolitischen Sprecher der PDS-Fraktionen beraten, wie dem Rechtsextremismus zu wehren ist, ohne den Rechtsstaat zu begraben. Ich lade Sie danach gerne zu einer Presse-Information ein.
 

Berlin, den 31. Januar 2005

 

 

31.1.2005
www.petra-pau.de

 

Seitenanfang

 

 

 

Presseerklärungen

 

Startseite