1. Die Berliner Ordnung sieht Ehrenbürgerwürden posthum nicht vor. Es lässt sich darüber streiten, ob dies klug ist. Gleichwohl bedarf es Regeln, die Bestand haben und nicht jedem politischen Zick-Zack unterworfen werden. Eine Ehrenbürgerschaft ist nicht nur ein politische Würdigung, sondern immer auch ein geschichtliches Zeugnis.
2. Nun hat die Berliner CDU vorgeschlagen, dem einstigen Regierenden Bürgermeister Ernst Reuter die Ehrenbürgerschaft zu verleihen. Obwohl dies posthum nicht möglich scheint, wurde damit eine politische Debatte eröffnet. Rot-Rot verweigert Reuter die Ehrenwürde, lauten die ersten Schlagzeilen. Das, und nicht mehr, war offenbar gewollt. Obwohl SPD und PDS darüber noch nicht einmal sprechen konnten.
3. Ernst Reuter verkörpert eine Geschichte, wie sie wechselvoller kaum sein kann. Er war Sozialdemokrat, Kommunist, Sowjet-Kommissar, KPD-Funktionär und -Gegner, Antifaschist, Verfolgter und Anklagender, und schließlich Fanal West-Berlins gegen die Blockade der Teil-Stadt.
4. Gerade deshalb finde ich: Wer eine solche Person samt seiner geschichtlichen Widersprüche und der widersprüchlichen Geschichte ins politische Sommerloch wirft, der meint es nicht ernst. Die Berliner CDU hat es getan. Das ist unredlicher Populismus.
5. Die Berliner FDP gibt noch eins schlechter. Sie will das Problem ‚lösen' und die Niederkirchner-Straße am Abgeordnetenhaus in Ernst-Reuter-Straße umbenennen. So entsorgt man Geschichte, anstatt sie kritisch aufzuheben. Eine intensive, auch parlamentarische Debatte über Käthe Niederkirchner gab es in den 90er Jahren. Ich war dabei. Sie ist nachlesbar, auch fü FDP-Lindner. Er muss das Ergebnis nicht teilen. Aber sein mediengeiles Ego ist a-historisch. Außerdem: Es gibt einen Ernst-Reuter-Platz. Die FDP sollte endlich in Berlin ankommen.
Berlin, den 18. Juli 2003
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