Politische Weitsicht wäre gefragt

Bundestag, 29. September 2011, Haushaltsdebatte, „Programme gegen Rechtsextremismus“
Rede von Petra Pau

1. 

Wenige Zahlen vornweg: Im statistischen Schnitt werden bundesweit stündlich 2 ½ Straftaten registriert, die rechtsextremistisch motiviert sind. Tag für Tag werden nach derselben Statistik 2 ½ rechtsextreme Gewalttaten erfasst. Diese offiziellen Zahlen stapeln tief. Nach langjährigen Erfahrungen liegen die realen Zahlen rechtsextremer Ausfälle um ca. 50 Prozent höher. Entsprechend groß ist die Zahl der Opfer. Unabhängige Beobachter weisen aus und nach, dass im vereinten Deutschland seit 1990 137 Menschen durch rechtsextreme Gewalt zu Tode kamen. Rechtsextremismus ist hierzulande also längst wieder eine Gefahr für Leib und Leben. Das ist der anhaltende Befund.

2. 

Folglich war es naheliegend, zivilgesellschaftliche Initiativen zu unterstützen, die dem vorbeugen und wehren. Das geschieht seit über zehn Jahren, aber immer schon halbherzig und zunehmend widerwillig. Seit die CDU/CSU und die FDP die Bundesregierung bilden, erleben wir eine regelrechte Diffamierung des zivilgesellschaftlichen Engagements gegen den grassierenden Rechtsextremismus. Mit der so genannten Extremismus-Klausel sollen Initiativen für Demokratie und Toleranz Verfassungstreue schwören und gesellschaftliche Partner observieren. Das ist eine Unkultur des Misstrauens. DIE LINKE lehnt das ab.

3. 

Meine Beobachtung legt den Schluss nahe: Der zivilgesellschaftliche Kampf gegen Rechtsextremismus soll verstaatlicht, entpolitisiert und ausgetrocknet werden. Das ist das sich abzeichnende Programm des leider zuständigen Bundesfamilienministeriums. Anstelle engagierter Bürgerinnen und Bürger soll der Inlandsgeheimdienst treten. Anstelle politischer Aufklärung werden im Freistaat Sachsen Schwimm-Events veranstaltet, bei denen auch die NPD mitspielen darf. Anstatt sie moralisch und finanziell zu unterstützen, sollen die Fördermittel des Bundes für zivilgesellschaftliche Initiativen nunmehr um ca. 2 Millionen Euro gekürzt werden. Die Bundesregierung stellt sich damit selbst ein politisches Armutszeugnis aus, ein für die Gesellschaft gefährliches.

4. 

Rechtsextremismus ist mehr als die NPD. Er ist ein gesellschaftliches Phänomen und kann folglich auch nur durch die Gesellschaft gebannt werden. Ein weitsichtiger Staat unterstützt das, die aktuelle Bundesregierung tut das Gegenteil. Als Beleg rufe ich ihnen abschließend die aktuellen Wahlergebnisse der NPD in Erinnerung. Sie konnte bei mehreren Landtagswahlen zweistellige Ergebnisse verbuchen: bei jungen Menschen, bei Arbeitslosen, bei prekär Beschäftigten, bei Männern, in ländlichen Milieus. Da offenbaren sich rechtsextreme Einstellungen, die durch ein Verbot der NPD nicht verschwinden. Gesellschaftliche und politische Weitsicht wäre also gefragt. DIE LINKE bedauert, dass die CDU/CSU und die FDP derzeit dazu weder willens, noch fähig sind.
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

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29.9.2011
www.petra-pau.de

 

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