Aktuelle Notiz: Der Datenschutz-Gipfel

von Petra Pau
Berlin, 4. September 2008

1. 

Von diesem Bild wird Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) lange zehren. Gemeinsam mit dem Bundesdatenschutzbeauftragten, Peter Schaar, gab er eine Pressekonferenz und beide lobten sich gegenseitig. Sie stellten die Ergebnisse eines Datenschutzgipfels vor, an dem noch weitere Bundesminister und Landesdatenschützer teilgenommen hatten.
Das Spitzentreffen war überfällig, nach dem immer neue Datenskandale publik wurden. Mal wurden Telefondaten missbraucht, mal wurden Bankdaten entwendet, mal wurden ganze Sätze persönlicher Daten feilgeboten und verhökert. Die kriminelle Missbrauchsliste ist viel länger und sie ist gewiss unvollständig. Vor allem: Sie war alarmierend.
Und was kam heraus? „Mehr, als befürchtet“, darin waren sich alle Skeptiker einig. Ohne ausdrückliche Zustimmung der Betroffenen dürfen deren persönliche Daten nicht mehr gehandelt werden. Werden Daten genutzt, so muss ihre Quelle ausgewiesen werden, also woher sie kommen. Außerdem soll Datenmissbrauch künftig schärfer geahndet werden.
Das und noch mehr wurden also vereinbart. Eine Arbeitsgruppe prüft die Vorschläge nun noch mal technisch und juristisch. Im November, so Innenminister Schäuble, wird der Bundestag dann einen Gesetzentwurf der Bundesregierung erhalten. Und er sei optimistisch, dass dann alles seinen parlamentarischen Gang gehen werde. Es war sein Auftritt.

2. 

So weit der erste Eindruck, der zweite fällt sehr viel trüber aus. Denn es wurde weit weniger vereinbart, als eigentlich nötig wäre. Die gemeinsamen Vorschläge betreffen fast nur den Umgang mit Daten durch die Privatwirtschaft. Über den größten Datenstaubsauger der Republik aber, den Staat, wurde überhaupt nicht gesprochen.
Der aber sammelt, verknüpft und exportiert persönliche Daten in immer größerem Umfang. Die verdachtsunabhängige Vorratsspeicherung sämtlicher Telekommunikationsdaten ist dabei nur die Spitze des Eisberges. Zugleich werden Daten von Bürgerinnen und Bürgern in die weite Welt geschickt, ohne dass sie gefragt werden.
Eine parlamentarische Anfrage ergab, dass bereits 2006 von Staats wegen über 60 Millionen persönliche Datensätze gespeichert wurden, und das bei 80 Millionen Einwohnern. Viele landen bei Geheimdiensten und sie werden damit jeglicher Kontrolle entzogen. Immer mehr Bürgerinnen und Bürger werden so gläsern und damit ihrer Souveränität beraubt.
Darüber sprach heute aber niemand, nicht auf dem so genannten Datenschutz-Gipfel, nicht auf der Pressekonferenz danach. Überhaupt wurden wesentliche Aspekte des Datenschutzes ausgeblendet, die seit Jahren einer Lösung harren. Zum Beispiel: Arbeitnehmer-Datenschutz, denn deren elektronische Überwachung wird immer vielfältiger.

3. 

Die heute vereinbarten Maßnahmen sind lediglich ein Reparatur-Programm für ein längst überholtes Datenschutzrecht. Ein nötiges Programm, aber nie und nimmer ein hinreichendes. Das geltende Datenschutzrecht stammt überwiegend aus der Zeit, als mit dem Bleistift geschrieben und mit dem Röhrenradio gehört wurde. Es ist von vorgestern.
Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach geurteilt und damit das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, mithin den Datenschutz, gestärkt und ausgeweitet. Doch weder die Regierung, noch der Bundestag haben bisher darauf aktiv reagiert. Es gibt folglich auch kein Datenschutzrecht, das dem 21. Jahrhundert, dem Internet-Zeitalter, gerecht wird.
Das aber ist die eigentliche Herausforderung. Denn die Gefahr ist groß, dass der Datenschutz und damit der Schutz der Persönlichkeit ein für alle mal im Nirwana verschwindet. Das wiederum wäre ein Super-Gau für die Demokratie. Mithin: Heute wurden kleine, altbackene Brötchen ganz groß verkauft. Das eigentliche Problem aber blieb ungelöst.
Die Diskussion über einen modernen Datenschutz ist längst eröffnet - nicht etwa durch Minister Schäuble, sondern gegen ihn. Ich finde: Wir brauchen bitternötig eine gesellschaftliche Debatte. Eine „Enquete-Kommission“ des Bundestages könnte dabei vielleicht hilfreich sein. Das Datenschutz-Hügelchen von heute indes war dafür viel zu wenig.
 

 

 

4.9.2008
www.petra-pau.de

 

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