Aktuelle Notiz: Beck's V-Leute-Märchen

von Petra Pau
Berlin, 26. August 2007

1. 

Im Streit über ein NPD-Verbot spielen die V-Leute des Verfassungsschutzes bzw. der Polizei eine entscheidende Rolle. An ihnen war 2003 der NPD-Verbotsantrag vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert. Die Richter befürchteten damals, dass nicht mehr zu trennen sei, welche verfassungsfeindlichen Belege original von der NPD stammen und welche von V-Leuten. Außerdem waren zuvor etliche Gewaltdelikte publik geworden, an denen V-Leute maßgeblich beteiligt waren.

2. 

DIE LINKE. fordert daher seit langem, das Bundesinnenministerium und die Landesregierungen sollen ihre jeweiligen V-Leute „abschalten“ und so das Verfahrenshindernis beseitigen. Dazu sind sie offenbar - mit Ausnahme von Rot-Rot in Berlin - nicht bereit. Vor wenigen Tagen erklärte das Bundesinnenministerium: Vor die Wahl gestellt, ob man die NPD ohne V-Leute verbieten oder mit V-Leuten beobachten wolle, entscheide man sich für die V-Leute, also de facto gegen ein NPD-Verbot.

3. 

SPD-Chef Kurt Beck befürwortet indes weiterhin ein neues Verbotsverfahren, lehnt aber ebenfalls einen Rückzug der V-Leute ab. Möglicherweise reiche es aus, so Beck, wenn die V-Leute künftig zurückhaltender agieren würden. Beck wörtlich laut „Spiegel“: „Sie dürfen zum Beispiel nicht als Agent Provocateur auftreten.“ Spätestens hier offenbart der SPD-Chef eine erschreckende Unkenntnis über die rechtsextreme Szene und darüber, wie V-Leute funktionieren (müssen).

4. 

V-Leute sind staatlich gekaufte Informanten und ebenso bezahlte Täter. Damit ihre Informationen aus der rechtsextremistischen Szene überhaupt eine verwertbare Relevanz erhalten, müssen sie sich in die Führungsriege der NPD hochdienen. Damit sie überhaupt in Führungskreisen der NPD aufsteigen können, müssen sie sich vordem als besonders aktive Kameraden hervortun. Der gekauften Information geht also immer die rechtsextreme Tat voraus. Sie müssen also als Agent Provocateur auffällig werden.

5. 

Wie viele Steuer-Euro jährlich in die Kassen der V-Leute fließen, kann niemand genau beziffern. Aber es dürfte eine stattliche staatliche Summe sein, die damit ebenfalls der NPD zugute kommt. Die Argumentation, man wolle der NPD mit einem erneuten Verbotsverfahren den Geldhahn zudrehen, ist also doppelt verlogen, so lange dieselben Leute, die das fordern, an der V-Leute-Praxis festhalten. Kurt Beck gehört dazu. Auch wenn der Vorwurf plump und verbraucht klingt, es riecht nach Populismus.

6. 

Hinzu kommt die Behauptung, man brauche V-Leute, um Interna über die NPD zu erfahren. Am 21. März 2007 stellte ich gemeinsam mit Ulla Jelpke auf einer Pressekonferenz die Antwort der Bundesregierung auf eine große Anfrage der Fraktion DIE LINKE „zur Entwicklung der extremen Rechten...“ vor. Sie belegt vor allem eines: Die Bundesregierung weiß erschreckend wenig über die rechtsextremistische Szene, einschließlich NPD, und das trotz ihrer bezahlten V-Leute. Die Antwort ist nachlesbar.

7. 

V-Leute bringen also nachweislich nichts, jedenfalls nicht Gutes. Sie schaden vielmehr im Alltag. Sie kosten Steuergelder, die der NPD zugute kommen. Und sie behindern ein erneutes Verbotsverfahren gegen eine NPD, der man auch ohne V-Leute vor Gericht nachweisen könnte, dass sie verfassungsfeindlich ist. Deshalb bleibt DIE LINKE bei ihrer Forderung, die V-Leute innerhalb der NPD flächendeckend abzuschalten.

8. 

Das so „gesparte“ Geld könnte hierzulande sinnvoller für eine unabhängige Beobachtungsstelle gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus eingesetzt werden. Das ist eine weitere aktuelle Forderung der Fraktion DIE LINKE. Eine solche Beobachtungsstelle nach EU-Vorbild könnte Kompetenzen bündeln, Analysen schärfen und Grundlagen für tragfähige Strategien gegen den Rechtsextremismus, egal ob organisiert oder nicht, geben. Genau das aber lehnen Union und SPD bisher ab.
 

 

 

26.8.2007
www.petra-pau.de

 

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