Das Rentenstrafrecht ist Unrecht

Bundestag, 12. Mai 2005, „Renten-Recht“
Rede von Petra Pau

1. 

Am 23. Juli 2004 hat das Bundesverfassungsgericht geurteilt: Das geltende Recht für zahlreiche Bürgerinnen und Bürger der DDR ist verfassungswidrig. Das Ganze hat eine Vorgeschichte, an der alle bisherigen Bundesregierungen beteiligt waren. Der gewollte Kardinalfehler war: Das Rentensystem sollte als Strafsystem missbraucht werden. Die PDS hat immer gemahnt: Das ist sachfremd und politisch falsch. Es ist auch rechtlich falsch, wie das Verfassungsgericht feststellt.

2. 

Nun soll es geändert werden, erneut. Aber der Kardinalfehler bleibt. Auch das neue Gesetz bricht nicht mit dem eingeführten Rentenstrafrecht. Es verschärft es sogar. Danach sollen auch Mitglieder der Modrow-Regierung, wie die DDR-Bürgerrechtler Sebastian Pflugbeil oder der unbequeme, bündnis-grüne Demokrat Wolfgang Ullmann oder auch der Kollege Eppelmann, mit Renten-Entzug bestraft werden. Wer so etwas vorlegt, der braucht sich nicht zu wundern, wenn er als inkompetent und unsozial kritisiert wird.

3. 

Aber es geht nicht nur um Inkompetenz. Es geht um Vorsatz und es geht um Unrecht. Im aktuellen Änderungs-Gesetz steht die Rente aus „staatsnahen Versorgungs-Systemen der DDR“ und für damalige Abteilungsleiter im Staatsapparat zur Diskussion. Das muss geändert werden. Aber das verfügte Unrecht geht viel weiter. So haben zum Beispiel Ingenieure und weitere Beschäftigte der INTERFLUG, der DDR-Luftfahrt-Gesellschaft, Beiträge für eine Zusatz-Rente bezahlt, die ihnen nach der Vereinigung schlicht aberkannt wurden.

4. 

Ich könnte weitere Beispiele nennen. Sie erinnern sich: Ballett-Tänzerinnen und -Tänzer konnten sich in der DDR versichern, weil ihre Berufsperspektive überschaubar und alters begrenzt war. Es ging dabei nie um unangemessene Reichtümer. Es ging um bezahlte soziale Sicherheiten im Alter. Sie wurden nach der Vereinigung getilgt.

5. 

Alle, die das Renten-Unrecht nicht hinnehmen wollten, mussten sich durch die Instanzen klagen. Die PDS hat sie dazu stets ermutigt. Zumeist haben sie vor dem Bundesverfassungsgericht sogar Recht bekommen. Das spricht gegen die Politik der Bundestags-Mehrheit. Denn fast alle Parteien im Hohen Haus haben das Rentenstrafrecht stets befürwortet. Die PDS war und ist dagegen.

6. 

Wir sind dagegen, dass ein Versicherungs-System politisch missbraucht wird. Ich bin auch dagegen, dass DDR-Bürger länger diskriminiert werden, nur weil sie DDR-Bürger waren. Auf einschlägigen Fragebögen in Bayern wird zum Beispiel noch immer als verfassungsfeindlich verdächtigt, wer zu DDR-Zeiten Bienen gezüchtet hat oder mit Mitmenschen solidarisch war. Deshalb abschließend: Ich verteidige hier nicht die DDR. Ich rede gegen den Blödsinn, den die Bundesrepublik verzapft. Das Rentenstrafrecht gehört dazu. Es ist Unrecht. Die PDS ist dagegen.
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

 

 

12.5.2005
www.petra-pau.de

 

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