Demokratie stärken, daheim und EU-weit

Bundestag, 11. November 2004, EU-Debatte
Rede von Petra Pau

1. 

Ich beginne mit einem Vor-Gipfel, den viele EU-Parlamentarier als „Sternstunde“ empfanden. Das EU-Parlament erzwang eine Neu- und Umbesetzung der künftigen EU-Kommission. Es verhinderte, dass Buttiglione gewählt und damit allzu mittelalterliche Positionen, zum Beispiel in der Gleichstellungspolitik, EU-Gewicht bekommen.
Dieses Beispiel verdeutlicht zugleich sein Gegenteil. Das EU-Parlament hat in aller Regel nach wie vor zu wenig Gewicht. Die EU-Politik wird von der Exekutive und den Regierungen der National-Staaten dominiert. Das ist eine anhaltende Bruchstelle im EU-Gefüge und das bleibt hinter üblichen Demokratie-Standards zurück.

2. 

Nun soll die künftige EU-Verfassung am Verhältnis Parlament zu Kommission einiges besser rücken. Das ist gut und wichtig. Das wird von der PDS im Bundestag begrüßt, auch wenn die angestrebten Änderungen bei weitem nicht ausreichen.
Aber der bisherige Zustand, nach dem die EU-Bürgerinnen und Bürger sich ein Parlament wählen dürfen, das bei Lichte betrachtet kein richtiges ist, der muss überwunden werden. Auch damit EU-Politik endlich transparenter, erkennbarer und bewertbarer wird.

3. 

Damit bin ich aber auch schon bei unserem Dauer-Thema. Viele, auch hier im Bundestag, beklagen, dass die EU immer wichtiger wird und dass sie zugleich von den Bürgerinnen und Bürgern als immer fremdländischer empfunden wird. Ein Einfalls-Tor für Rechtsextremisten, das wir gemeinsam schließen sollten.
Ein Teil dieses Problems ist allerdings dieser Bundestag. Solange sie sich weigern, die Bürgerinnen und Bürger einzubeziehen, so lange sie eine Volksabstimmung über die EU-Verfassung verweigern, so lange nähren sie das zugleich beklagte Problem.
Deshalb wiederhole ich die Forderung der PDS:

• 

Änderung des Grundgesetzes, damit auch auf Bundesebene mehr Demokratie möglich wird.

• 

Volksabstimmung über die EU-Verfassung, auch in Deutschland.

• 

Und ein EU-weites Plebiszit über die EU-Verfassung am 8. Mai 2005, dem 60. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus.

4. 

Mehr Rechte für das EU-Parlament und mehr Mitbestimmung der EU-Bürgerinnen und -Bürger könnte auch eine weitere Unart begrenzen: dem Spiel über Bande. Wir alle kennen Beispiele dafür..
So manches, was daheim, in der Bundesrepublik, nicht mehrheitsfähig ist, wird über die EU-Kommission eingespeist. Dort wird es in Richtlinien gegossen und dann kehrt es als bindendes EU-Recht nach Deutschland zurück. Das stärkt nicht die Demokratie, es umgeht sie.

5. 

Ein praktisches Beispiel liegt vor uns. Otto Schily ist ein Fan von persönlichen Daten. Er sammelt sie und er will sie in großen Dateien und in kleinen Dokumenten speichern. Natürlich namens der Sicherheit.
Seine Pläne fanden im Bundestag Widerhall bei der CDU/CSU. Sie stießen aber insgesamt auf Skepsis. Von Datenschützern und Bürgerrechtlern werden sie ohnehin abgelehnt und zwar strikt - auch von mir und der PDS.

6. 

Nun ereilen uns die biometrischen Daten doch, von ganz oben, aus der EU. Mehr noch: Es sollen gemeinsam verfügbare Dateien angelegt werden, um potentieller Terroristen und Straftäter besser habhaft zu werden. „Potentiell straffähig“ ist jede und jeder. Das ist die Dimension.
Ich glaube nicht, dass jede und jeder seine persönlichen Daten gern beim Geheimdienst der Regierung Berlusconi abliefert. Und ich kann mir schwer vorstellen, dass sich Bürger der Bundesrepublik Deutschland über prophylaktische Vermerke beim CIA oder beim „Heimatschutz“ der USA freuen. Das aber ist bzw. wird Praxis, dank EU-Bandenspiel.

7. 

Nun zu einem weiteren Gipfel-Thema der EU, dem Stabilitäts-Pakt. Er besagt, dass die nationale Verschuldung drei Prozent des jeweiligen Haushaltes nicht übersteigen darf. Anderenfalls drohen drastische Strafen.
Die PDS hat diese Regelung immer abgelehnt. Vor allem, weil es zu diesem Geld-Pakt keinen adäquaten Sozial-Pakt gibt. Der aber wäre viel wichtiger, um der EU-weit steigenden Arbeitslosigkeit, um der wachsenden Verarmung großer Schichten und um der ungehemmten Privatisierung öffentlicher Leistungen zu begegnen.

8. 

Mein letzter Punkt zum EU-Gipfel heißt „Verwunderung“. Denn wenn ich es recht lese, dann wurde die Wiederwahl des USA-Präsidenten George Bush nicht nur pragmatisch begrüßt, sondern „besonders“.
Wenn dies so stimmt, dann war das ein übler Kniefall vor einem Staatschef, der die UNO missachtet, der willkürlich Kriege entfacht und die Menschheit gefährdet.
Für eine EU, die das toleriert, ist die PDS nicht zu haben. Wir wollen eine soziale, demokratische, friedliche und von Weltherrschaftsplänen emanzipierte EU.
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

 

 

11.11.2004
www.petra-pau.de

 

Seitenanfang

 

Übersicht

 

Reden&Erklärungen

 

Lesbares

 

Startseite