Amnesie oder typisch Schily

Bundestag, 22. September 2004, Aktuelle Stunde „Schily und das NPD-Verbot“
Rede von Petra Pau

1. 

Bundesinnenminister Schily hat das Bundesverfassungsgericht dafür verantwortlich gemacht, dass die NPD heute im sächsischen Landtag sitzt.
Als ich das Zitat las, da fragte ich mich: Was ist das? Hat einer der wichtigsten Bundesminister ein Black out, leidet er an partieller Amnesie oder ist das nur ein typischer Otto Schily? Denn es gab einen Hauptverantwortlichen dafür, dass das Verbots-Verfahren gegen die NPD eingestellt wurde und der heißt Schily.

2. 

Zur Erinnerung: Am Anfang stand eine gemeinsame Verbotsklage des Bundestages, des Bundesrates und der Bundesregierung. Die erste Klageschrift war schlecht. Dann wurde eine V-Mann-Affäre nach der anderen ruchbar, auf Bundesebene und in mehreren Ländern.
Schließlich war die Alternative übersichtlich. Entweder werden die V-Leute in der NPD gedeckt, dann droht das Verbotsverfahren zu scheitern. Oder man will das Verbotsverfahren. Dann musste das Agieren der V-Leute vor Gericht belegt werden.
Bundesinnenminister Otto Schily und seine Kollegen Beckstein (CSU) und Schönbohm (CDU), entschieden sich damals für die V-Leute und damit gegen das NPD-Verbot.

3. 

Das aktuelle Zitat ärgert mich aber noch aus einem anderen Grund. Denn es verkürzt den Kampf gegen den Rechtsextremismus auf ein Gerichtsurteil und auf eine Hülle.
Richtig ist, die NPD genießt als Partei Privilegien. Ebenso richtig ist: Gäbe es die NPD als Partei nicht, dann hätte sie auch nicht in den sächsischen Landtag gewählt werden können. Aber um das zu erkennen, muss man nicht Bundesminister werden.
Entscheidend ist: Der NPD und den anderen rechtsextremen Parteien, Kameradschaften und Verbänden muss der Nährboden und die Gefolgschaft entzogen werden. Das ist die eigentliche demokratische Herausforderung an eine couragierte Zivilgesellschaft.

4. 

Und deshalb ersparen ich einigen hier im Rund, übrigens in fast allen Fraktionen, einen Vorwurf nicht. Sie haben im zurückliegenden Wahlkampf und im Streit zu „Hartz IV“ einen schlimmen Fehler gemacht: Sie haben die PDS und die NPD in einen Topf geworfen.
Damit haben sie viele, die den KZs der Nazis entkommen sind und der PDS nahe stehen, unsäglich beleidigt. Sie haben damit die NPD verharmlost und hoffähig gemacht. Und sie haben das wichtige „Bündnis der An- und Zuständigen“, wie es noch vor wenigen Jahren hieß, gefährdet. So kurzsichtig darf man selbst in Wahlkämpfen nicht sein.
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

 

 

22.9.2004
www.petra-pau.de

 

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