Der „Weg zu neuer Stärke“ führt ins Abseits

Bundestag, 25. März 2004, Tagesordnungspunkt „Regierungserklärung“
Rede von Petra Pau

(es gilt das gesprochene Wort)

0.

Bevor ich grundsätzlich auf die Regierungs-Erklärung eingehe, will ich eines klar stellen: Bundeskanzler Schröder hat über demografische Probleme gesprochen und hat sich dabei eines unglaublichen Vergleichs bedient. Er hat die Nazi-Zeit und die DDR-Zeit gleichgesetzt.

Er sprach vom Mutter-Kreuz im 3. Reich und vom „Ab-Kindern“ in der DDR. Ich weise namens der PDS diese Passage ausdrücklich zurück. Und ich bedauere, dass ausgerechnet ein SPD-Kanzler so geschichtslos und demagogisch daher redet.

Zur Wahrheit gehört auch, dass in der Bundesrepublik Deutschland des Jahres 2004 die Kinderarmut unerträglich hoch ist und durch die Agenda- Gesetze noch zunimmt.

1.

Bundeskanzler Schröder hat seiner Regierungs-Erklärung den schönen Titel gegeben: „Deutschland 2010 - unser Weg zu neuer Stärke!“
Die Rede schließt an die „Agenda 2010“ an, die hier vor Jahresfrist vorgestellt wurde. Sie kann und muss sich daher daran messen lassen, was seither geschehen ist.

Und Sie wissen es: Die „Agenda 2010“ wird vielfach als Abschied der SPD von sozial-demokratischen Ur-Werten, wie Solidarität und Gerechtigkeit bewertet.
Die PDS teilt diese Kritik grundsätzlich: Dieser „Weg zu neuer Stärke“ führt ins Abseits.

2.

SPD und Grüne sagen, sie wollen den Sozialstaat retten, aber zugleich bauen sie ihn ab. Sie sagen, Solidarität sei wichtig, aber sie geben sie preis. Sie sagen, Gerechtigkeit sei gut, aber sie werden immer ungerechter.

3.

Wir haben uns hier gestritten - über die Gesundheits-Reform, über die Renten-Reform, über die Arbeitsmarkt-Reform, über die Steuer-Reform und vieles mehr, was Rot-Grün als „Agenda 2010“ bezeichnet.

Alle so genannten Reformen sind beim Praxis-Test durchgefallen. Für die wirklich Betroffenen wurde nichts besser, aber vieles teurer.

4.

Die Stärke einer Gesellschaft misst sich an den Schwachen. Das war mal ein sozial-demokratisches Credo. Davon entfernt sich die SPD immer mehr. Heute stärken Sie die Starken und Sie schwächen die Schwachen.
„Unser Weg zu neuer Stärke“, wie Sie sagen, hat große Gewinner und viele Verlierer. So ein „Deutschland 2010“ will ich nicht.

5.

Wobei der Opposition zur Rechten das ganze Abbau-Programm ja noch nicht weit genug geht. Ihr Militär-Programm ist ohnehin mächtiger und gewaltiger.

6.

Nun habe ich sehr aufmerksam vernommen, was der neue SPD-Vorsitzende, Herr Müntefering, in seiner Antrittsrede versprach. Ich fasse zusammen: Die SPD hält an ihrem Kurs fest. Schröders Sozialabbau wird fortgesetzt. Schilys Innenpolitik wurde gelobt. Und Strucks Bundeswehr soll noch weiter ins Ausland.

Allein diese 3-S-Politik lässt gruseln. Noch schlimmer ist: Die neue Mitte der neuen SPD hält ihren neuen Weg auch noch für neu. Dabei ist vieles nur geklaut, bei der CDU/CSU und bei noch schlechteren Vorbildern.

7.

Vor diesem Hintergrund frage ich mich allerdings: Was soll Deutschland im UNO-Sicherheitsrat?

Um nicht missverstanden zu werden: Ich bin sehr für eine Aufwertung der UNO. Sie war vor dem Hintergrund des II. Weltkrieges eine historische Errungenschaft. Und sie wird immer wichtiger.

Allerdings lehrt das Beispiel USA: Wirtschaftliche Größe ist kein Synonym für Recht und militärische Stärke ist kein Ersatz für Politik. Wenn Deutschland in den UN-Sicherheitsrat strebt, dann muss es mehr bieten, als einen Anspruch. Es muss Alternativen aufzeigen.

Die aber sind nicht erkennbar. Auch nicht in der Regierungs-Erklärung „Deutschland 2010 - unser Weg zu neuer Stärke!“

8.

Das trifft übrigens auch auf Alles zu, was derzeit über das Zuwanderungs-Gesetz zu hören ist.
Angekündigt hatte Rot-Grün ein Bürgerrecht, das Ausländer nicht länger als Lückenbüßer und Störenfriede betrachtet. Nun droht ein Abschieberecht nach bayerischem Duktus: Wer in Verdacht gebracht wird, er könnte Terrorist werden, soll außer Landes entsorgt werden.

Deshalb ich bin sehr gespannt, wie Bündnis 90/Die Grünen damit umgehen will.

9.

Sie kennen meine grundsätzliche Kritik an der zunehmenden Militarisierung der Politik. In der künftigen EU-Verfassung wurde sie sogar als Pflicht festgeschrieben. Deshalb lehnt die PDS den Entwurf auch ab.

Aber auch hierzulande gibt es genug Zeitzünder. Insbesondere die CDU/CSU lässt keinen Anlass aus, sie zu schärfen. Deshalb wiederhole ich für die PDS:

Es gibt keinen Grund, das Grundgesetz zu ändern und die Bundeswehr im Innern einzusetzen. Es gibt keinen Grund, die überholte Wehrpflicht durch andere Zwangsdienste zu ersetzen. Und es gibt keinen Grund, durch ein Entsendegesetz am Bundestag vorbei Kriegsseinsätze zu beschleunigen. Die PDS lehnt dies daher ab.

10.

Die PDS im Bundestag bleibt dabei: Die „Agenda 2010“ weist in eine falsche und für viele in eine fatale Richtung. Sie belastet Kranke, Arme und Alte über Gebühr und sie entlastet jene - wie es auf sozialdemokratisch so schön heißt - „die breite Schultern haben“.

Die PDS setzt dem ihre „Agenda sozial“ entgegen und eine Renten-Reform, die den Namen „Reform“ auch verdient. Sie ist gerechter, weil sie allen ein würdiges Leben im Alter bietet. Sie ist solidarisch, weil sie Lasten teilt. Und sie ist modern, weil sie das Rentensystem umbaut, anstatt Rentner zu schröpfen.

Deshalb gilt mein Schluss-Satz auch all jenen, die sich mit dem Kurs des Kanzlers und seiner Kritiker von rechts nicht abfinden wollen. Treffen wir uns am 3. April in Köln, Stuttgart oder Berlin zu den geplanten Groß-Demonstrationen gegen Sozialabbau.
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

 

 

25.3.2004
www.petra-pau.de

 

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