Bundesagentur nach Gerster

Bundestag, 29. Januar 2004, aktuelle Stunde „Umbau der Bundesagentur für Arbeit zu einem modernen Dienstleister“
Rede von Petra Pau

(es gilt das gesprochene Wort)

1.

Vielleicht ist es ihnen aufgefallen, vielleicht auch nicht: Jedenfalls hat sich die PDS im Bundestag nicht an der Monate langen Debatte beteiligt, die letztlich zur Ablösung von Herrn Gerster geführt hat.

Es war eine Stellvertreter-Debatte, bei der viele ihr Süppchen kochen. Das eigentliche Problem, die Massenarbeitslosigkeit, gerät so zur Nebensache.

Sie ist aber die Hauptsache für viele persönliche Erniedrigungen und gesellschaftliche Verwerfungen. Deshalb ist darüber zu reden.

2.

Es kann sein, dass ich öfter mit Arbeitslosen zu tun habe, als manch anderer Abgeordnete. Das liegt dann am Selbstverständnis der Parteien.

Jedenfalls weiß ich aus Erfahrungen, was die „Agenda 2010“, was die „Hartz“-Gesetze und was die so genannte Reform der Bundesagentur für Arbeit für die wirklich Betroffenen bedeutet.

Ihnen wird nicht geholfen, sie werden in Haft genommen für eine falsche Steuer- und Arbeitsmarkt-Politik.

3.

Ich will ihnen das gern an zwei Beispielen aus meinem Bekanntenkreis illustrieren.

a) Ein Ingenieur, inzwischen langzeit-arbeitslos, bekam vom Arbeitsamt ein Schreiben. Darin wurde ihm angedroht, er habe gefälligst auch Mini-Jobs anzunehmen, ansonsten würden ihm alle Hilfen gestrichen. Er schrieb zurück: „Bitte nennen Sie mir Mini-Jobs, die ich annehmen soll!“ Auf eine Antwort wartet er vergebens.

b) Eine Nachbarin von mir ist arbeitslos, seit Jahren. Durch die „Agenda 2010“ sinken ihre monatlichen Bezüge auf unter 400 €. Zuviel zum Sterben, aber viel zu wenig zum Leben. Nun hatte sie eine Chance auf einen Mini-Job. Sie meldete dies beim Arbeitsamt. Resultat: Sie bekam amtliche Vordrucke, vierfach, auf denen sie Woche für Woche auflisten soll, warum sie was und wann für wen gearbeitet habe.

4.

Herr Gerster war auserkoren, um all das durchzusetzen. Er sei dafür der Beste, meinte Minister Clement bis zu letzt. Deshalb ist es auch müßig, über richtige oder gefällige Beraterverträge zu streiten.

Gerster war Exekutator einer falschen Politik. Eine Politik, die Arbeitslose bekämpft und nicht die Arbeitslosigkeit. Rot-Grün nennt das Reform und der Opposition zur Rechten geht das Ganze nicht weit genug.

Die PDS im Bundestag bleibt dabei: Diese Politik ist asozial und unmoralisch.

5.

Über Ablösesummen oder Übergangsgelder sollten wir nicht allzu lange reden. Sie ist angemessen, werden Sie sagen. Gemessen an dem, was derzeit zu Mannesmann und Vodafone vor Gericht verhandelt wird, mag das sogar stimmen.

Da geht es um 60 Millionen € und mehr, für „außergewöhnliche“ Leistungen. Man muss als Arbeitsloser 60 Tausend Jahre alt werden, um gleich zu ziehen, und wer bundes-durchschnittlich arbeitet, braucht über 3 Tausend Jahre, um ähnlich viel zu verdienen. Das ist für wahr außergewöhnlich.

Vor 3 Tausend Jahren aber saßen die Vorfahren von Clement und Gerster noch in Bärenhäuten beim Met zusammen.
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

 

 

29.1.2004
www.petra-pau.de

 

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